Einfluss der Eltern auf die Berufswahl von Mädchen und Jungen

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Gut in Mathe, aber trotzdem ein Beruf im künstlerischen Bereich? Eltern sind bei der Wahl des Berufes nicht frei von Klischees

Eltern wollen meist das Beste für ihre Kinder. Auch wenn es um den zukünftigen Beruf des Nachwuchses geht. Welche Rolle spielen die Eltern bei der Berufswahl ihrer Kinder? Achten die Eltern darauf, ob ein angestrebter Beruf zum Sohn oder zur Tochter passt? Oder geht es mehr um Geld und Status? Verstärken sie die klischeehaften Berufswünsche ihrer Kinder oder wirken sie dagegen?

In einer Befragung, die das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. in Kooperation mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster durchgeführt hat, wurden 1.599 Eltern vor und nach den Aktionstagen Girls'Day und Boys'Day zum Thema Berufliche Orientierung ihrer Kinder befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung wurden am 19. April 2023 bei einer Online-Veranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion präsentiert.

 

Die Studie geht folgenden Fragen nach:

  • Wie unterstützen die Eltern ihre Kinder in der Berufsorientierung?
  • In welchen Berufsfeldern sehen sie ihre Kinder?
  • Welche Berufsimages sind für Eltern wichtig?
  • Wie schätzen sie die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Berufen ein?
  • Wie bewerten die Eltern akademische und nicht-akademische Berufe?

 

Ergebnisse der Studie

Eltern sind wichtige Partner bei der Berufswahl, denn sie sind diejenigen, mit denen die Jugendlichen am häufigsten über ihre Berufswünsche reden. Ein erfüllender Beruf, in dem sie sich selbst verwirklichen können, ist Eltern für die berufliche Zukunft ihrer Kinder mit Abstand am wichtigsten. Eltern beschäftigen sich intensiv mit der beruflichen Orientierung ihrer Kinder und begleiten sie auf dem Weg in den Beruf. 

 

Die meisten Eltern sprechen mit ihren Kindern über die Berufswahl

86 Prozent der Befragten geben an, mit ihren Kindern über Berufe oder berufsbezogene Themen zu sprechen, dabei stehen vor allem die Interessen und Fähigkeiten der Kinder im Mittelpunkt. 66 Prozent der Eltern helfen ihren Kindern bei der Suche nach Praktika. Und 63 Prozent ermuntern ihre Kinder, am Thema Berufswahl dranzubleiben. Allerdings sind die Ausgangslagen unterschiedlich: in mehrsprachigen Familien sind es nur 53 Prozent, die bei der Praktikumssuche helfen. Die Ressourcen, die den Eltern in Form von Kontakten oder auch Bildung zur Verfügung stehen, sind unterschiedlich.

 

Welche Tätigkeitsbereiche können sich die Eltern für ihre Kinder vorstellen?

Die Antwort auf diese Frage überrascht etwas: Eltern können sich für ihre Mädchen das künstlerische Feld (68%), aber mit 61 Prozent auch den naturwissenschaftlichen Bereich sehr gut vorstellen. Nur 58 Prozent sehen ihre Kinder im sozialen bzw. pädagogischen Bereich. Bei den Jungen sind die Vorstellungen sehr klischeehaft: Technik (69%), IT (68%) und Naturwissenschaften (64%) liegen auf den vorderen Rängen.

 

Gut in Mathe, aber trotzdem keine Zukunft in der Technik?

Bei der nächsten Frage wird es spannend. Hier werden jetzt die Schulnoten der Kinder mit den möglichen Berufsfeldern verglichen, die sich die Eltern für ihren Nachwuchs vorstellen. Dahinter steckt die Frage, ob sich die Eltern mit ihren Berufsvorstellungen an den Leistungen ihrer Kinder orientieren.

Dabei fällt auf, dass bei sehr guten Mathematikkenntnissen (Schulnote „sehr gut bis gut“), die Eltern sich für ihre Kinder einen technischen Bereich sehr gut vorstellen können. Allerdings klafft auch hier wieder eine Lücke: Nur 61 Prozent der Eltern mit „sehr guten“ Leistungen der Mädchen, würden diesen Bereich favorisieren. Bei den Jungen sind es 78. Noch interessanter wird es am unteren Ende der Leistungsskala: Bei der Schulnote 4-5 in Mathe, können sich immer noch 57 Prozent der Eltern einen technischen Beruf für ihren Sohn vorstellen. Das sind also fast ebenso viele wie die Eltern von Mädchen der Spitzengruppe (61%).

Zusammengefasst: Auch wenn Mädchen gut in Mathe abschneiden, denken die Eltern weniger an technische Berufe für ihre Töchter. Jungen hingegen können schlecht in Mathe sein und es kommt für die Eltern trotzdem ein technischer Beruf in Frage. Hier tritt ein eindeutiger Genderbias zutage.

 

Was wünschen sich die Eltern für Ihre Kinder?

Die TOP 3 der Werte, die Eltern an die Berufswahl ihrer Kinder anlegen, sind folgende:

  1. Erfüllende Arbeit/Selbstverwirklichung
  2. Gutes Einkommen
  3. Beruf mit Zukunft

Am unteren Ende der Skala liegt mit nur 2 Prozent die gesellschaftliche Anerkennung und das Prestige eines Berufes. TOP 1, die Selbstverwirklichung als wichtiger Wert deckt sich auch mit Jugendstudien. Auch bei den Jugendlichen selbst ist die Erfüllung bei der Arbeit das wichtigste Ziel bei der Berufswahl (Quelle: Bärbel Kracke, Podiumsdiskussion 19.4.23).

 

Wie schätzen Eltern Berufe ein?

Bei dieser Frage wurden die Berufsgruppen Technik + IT, Naturwissenschaften, Gesundheitsberufe und soziale Berufe miteinander vergleichen.

Bei der Frage, wo gut verdient wird, liegen Technik + IT aus Sicht der Eltern vorne (63 Prozent bejahen dies). Dagegen glauben nur 24 Prozent der Befragten, dass es Spaß macht, dort zu arbeiten. 

Bei der Sicherheit der Arbeitsstelle sehen die Eltern die Gesundheitsberufe (70%) vorne, gefolgt von Technik und IT (59%).

Für am wenigsten abwechslungsreich halten die Eltern die Berufe um Technik und IT (36 Prozent), wohingegen die drei anderen Gruppen fast gleichauf liegen: jeweils etwa 70 Prozent der Erwachsenen bescheinigen ihnen Abwechslungsreichtum.

Gleiche Chancen für Männer und Frauen bieten aus Sicht der Befragten vor allem Gesundheits- und soziale Berufe.

 

Girls' Day und Boys' Day helfen weiter

Die Aktionstage Girls' Day und Boys' Day leisten aus Sicht von Eltern einen wichtigen Beitrag zur Beruflichen Orientierung – sie informieren & sensibilisieren. 34 Prozent der Eltern, die sich mit dem Boys’Day und 39 Prozent der Eltern, die sich mit dem Girls' Day beschäftigt haben, sind danach gegenüber Geschlechterklischees aufmerksamer. Für eine klischeefreie Berufsorientierung ist das Engagement der Schulen essenziell. Ihre aktive Einbindung in Girls' Day und Boys' Day schafft einen regelmäßigen Anlass für alle Beteiligten, sich vertieft mit Geschlechterklischees zu befassen, so die Studie. So werden Lehrkräfte sensibilisiert und Schülerinnen und Schüler bekommen die Möglichkeit, ihre Berufswünsche mit Blick auf Stereotype zu reflektieren.

Mehr zu den beiden Aktionstagen. 

Die ausführliche Studie gibt es hier