Mein Weg in … die öffentliche Verwaltung, Teil 2

Portraitbild von Yasemin Özbek, die einen hellblauen Blazer trägt und ein silberfarbenes Kopftuch

Yasemin Özbek sieht für Migrantinnen gute Karrierechancen in der öffentlichen Verwaltung (Foto: Stadt Heilbronn)

Im ersten Teil unseres Interviews berichtete Yasemin Özbek, wie sie es innerhalb weniger Jahre schaffte, ohne Vorkenntnisse eigenständig Deutsch zu lernen, eine Ausbildung zu absolvieren und in der Stadtverwaltung Heilbronn beruflich aufblühte.

Im zweiten Teil erzählt Yasemin Özbek wo sie heute arbeitet, wie sie ihre Karriere vorantreibt und welche Tipps sie Migrantinnen mitgibt.

Wechsel ins Sozialamt und Zukunftspläne

FuB: Warum haben Sie die Stabsstelle verlassen?

YÖ: Ich bin ein sehr vielseitig interessierter Mensch und mag es, mich immer weiter zu entwickeln und neue Herausforderungen zu suchen. Durch die Arbeit in der Stabsstelle wusste ich, dass meine berufliche Zukunft auf jeden Fall in der öffentlichen Verwaltung liegt. Dafür wollte ich mir spezielles Fachwissen aneignen und startete im September 2023 an der Verwaltungsschule Karlsruhe die Weiterbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Zunächst war ich währenddessen weiterhin in Vollzeit in der Stabsstelle tätig, aber diese hohe Belastung war auf Dauer nicht zu leisten. Um Beruf und Weiterbildung besser zu vereinbaren, wechselte ich im Januar 2024 in Teilzeit als Wohngeld-Sachbearbeiterin ins Sozialamt. Die Arbeit dort bietet mir wertvolle Einblicke in Sozialrecht und Verwaltungsprozesse.

Herausforderungen und Tipps für Migrantinnen

FuB: Wenn Sie auf ihren Weg insgesamt zurückblicken: Was war Ihre größte Herausforderung?

YÖ: Vorurteile. Viele Menschen hatten ein festes Bild davon, was eine Frau mit Kopftuch kann oder nicht kann. Aber ich habe mich davon nicht entmutigen lassen und versucht, Vorurteile durch persönlichen Kontakt abzubauen. Das war nicht immer einfach und ich habe schwierige Erfahrungen gemacht. Mir wurde auch mal an den Kopf geworfen, dass ich mit meinem Kopftuch nichts erreichen könne. Aber ich habe nicht aufgegeben.

Meine Kinder sind sehr stolz auf die Erfolge, die ich bis heute erzielt habe. Auch andere Migrantinnen können durch ihre Qualifizierungen inspirierende Vorbilder für ihre eigenen Kinder sein!

Yasemin Özbek

FuB: Hat sich die Situation für Migrantinnen verbessert?

YÖ: Ja, es gibt heute mehr Unterstützungsangebote, unter anderem die Welcome Center, Angebote der Agentur für Arbeit und natürlich auch die Kontaktstelle Frau und Beruf. Wichtig sind aber auch offene Arbeitgeber, einzelne Personen, die Migrantinnen konkrete berufliche Chancen geben, Eigeninitiative und Rollenvorbilder.

 

FuB: Was können Rollenvorbilder bewirken?

YÖ: Es macht einen Unterschied, ob deutsche Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen oder Behörden Migrantinnen in Veranstaltungen von all den Möglichkeiten berichten, die es hierzulande gibt. Oder ob da jemand auf einer Bühne steht, der oder die eine ähnliche Geschichte, ähnliche Herausforderungen und Lebensumstände hat, wie die, die im Publikum sitzen. Deshalb habe ich zum Beispiel für die Agentur für Arbeit bereits bei einigen Projekten als Role Model mitgewirkt und andere Migrantinnen beraten. Der Austausch dort war immer sehr lebendig, die Frauen stellten viele Fragen, die sie sich im Austausch mit Deutschen vielleicht nicht getraut hätten zu fragen. Die Frauen, mit denen ich in Kontakt komme, fassen durch meine Geschichte viel Mut. Das macht mich glücklich.

 

FuB: Welche Tipps haben Sie für Migrantinnen?

YÖ: Erstens: Niemals aufgeben und sich klare Ziele setzen. Zweitens: Offen für verschiedene Möglichkeiten sein und selbst aktiv nach Wegen suchen. Drittens: Die berufliche Integration mit gesellschaftlicher Teilhabe verbinden – durch Ehrenamt oder Weiterbildung. Es gibt mittlerweile so viele Angebote bei Bildungseinrichtungen oder Vereinen, die helfen, in die Kultur und Gesellschaft hierzulande einzutauchen. Egal ob Angebote für die eigenen Kinder, für die Familie oder für die Persönlichkeitsentwicklung. Dabei verbessert man nicht nur ganz praktisch die Sprachkenntnisse, sondern eignet sich auch Stück für Stück Wissen über die Strukturen und Gepflogenheiten der neuen Heimat an. Dann lässt sich die berufliche Integration sehr gut anschließen.

Migrantinnen sollten sich klare Ziele setzen, niemals aufgeben, offen für verschiedene Möglichkeiten sein und auch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

Yasemin Özbek

Rolle der beruflichen Ausbildung

FuB: Welche Rolle kann eine Ausbildung für die berufliche Integration in Deutschland spielen?

YÖ: Aus meiner Sicht kann eine Ausbildung kann ein sehr wichtiger Schritt sein, um Sprachkenntnisse und berufliche Perspektiven zu verbessern, vor allem wenn auch die Anerkennung der eigenen Qualifikationen schwierig ist. Egal, ob Frauen später in dem Ausbildungsberuf arbeiten: Eine Ausbildung ist viel mehr als nur eine formale Qualifikation für einen speziellen Beruf und kein Rückschritt. Sie ist ein Türöffner zur Integration ins neue Heimatland. In der Ausbildung kommt man automatisch in Kontakt mit vielen Menschen außerhalb der eigenen Migrations-Community, erweitert dadurch schnell seine Deutschkenntnisse und erfährt viel über die deutschen Strukturen und die deutsche Kultur. Wenn man in der Sprache und in den Gepflogenheiten sicher ist, kann man immer noch weitere Wege einschlagen und durch Zusatzqualifikationen auch wieder an die ursprüngliche Qualifikation anknüpfen.

 

FuB: Wie bewerten Sie die Chancen für Migrantinnen in der öffentlichen Verwaltung?

YÖ: Sehr positiv! Die Stadt Heilbronn ist heute sehr offen für Vielfalt. Besonders im Bereich der Auszubildenden ist Multikulturalität inzwischen selbstverständlich. Ich kann diesen Weg nur empfehlen und engagiere mich selbst dafür, mehr Migrantinnen für die öffentliche Verwaltung zu gewinnen.