"Der Fachkräftemarkt brennt lichterloh, in den Unternehmen sind zigtausend Stellen offen, Studienplätze an den Hochschulen bleiben leer - besonders in den so wichtigen MINT-Fächern", so dramatisch beschreibt Stefan Küpper, Geschäftsführer der Biwe-Gruppe, den derzeitigen Fachkräftemangel in Deutschland und eröffnet damit die Preisverleihung von familyNET 4.0.
Um die klaffende Lücke von Fachkräften zu schließen, zähle jeder Kopf. Und wenn es gelänge, die vielen Teilzeitstellen in Vollzeitstellen zu verwandeln, wäre einiges geschafft. An einem Beispiel zeigt Küpper, was durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf rechnerisch möglich wäre: Würde ein Paar statt 40 (meist ER) und 20 Stunden (meist SIE) beide 35 Stunden arbeiten, wären schon zehn Stunden gewonnen.
Genau hier setzt die Frage der Familienfreundlichkeit von Unternehmen an: Wie flexibel sind sie bei der Arbeitszeitgestaltung? Mit welchen Modellen kommen sie den (lebenslangen) Herausforderungen von Familien entgegen, um das schlummernde Potential derer zu nutzen, die neben der Erwerbsarbeit auch die „Care-Arbeit“ für Kinder und Senioren tragen? Und wie hilft die Digitalisierung den Unternehmen, diese Herausforderungen zu meistern?
„Unsere Unternehmen im Land haben angesichts der andauernden Krisen unglaublich viel geleistet, umstrukturiert und bewältigt, sich vielfach sogar neu aufgestellt und verstärkt digital agiert“, betont Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. „Um dieses herausragende Engagement zu würdigen, haben wir besonders kreative und innovative Konzepte mit dem Award ‚familyNET4.0‘ ausgezeichnet. Ich wünsche mir, dass andere Unternehmen durch dieses Vorbild zur Nachahmung motiviert werden.“
Aktuelle Fakten zum Arbeitsmarkt nach der Coronakrise
David Juncke, Vize-Direktor und Leiter des Bereiches Familienpolitik bei der Prognos AG, ordnet vor der Bekanntgabe der Gewinner des Wettbewerbes zunächst die aktuelle Situation von Unternehmen und ihren Mitarbeitenden ein. Die Studie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf (PDF), die auch die Entwicklungen während der Coronazeit im Blick hat, zeigt folgende Fakten auf:
Juncke ermutigt alle Unternehmen, sich auf den Weg zu mehr Familienfreundlichkeit zu machen und so eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte zu schaffen. Denn die Fachkräfte, die schon in den Unternehmen sind, schlössen mit einem Mehr an Arbeitsvolumen die klaffende Fachkräfte-Lücke viel schneller als andere Maßnahmen der Fachkräftesicherung, wie beispielsweise das Anwerben von Arbeitenden aus dem Ausland - was nicht minder wichtig sei.
Homeoffice ist nicht alles
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion mit Birgit Buschmann (Leiterin Referat Wirtschaft und Gleichstellung im Wirtschaftsministerium), Christine Schneider (Südwesttextil e.V.), Dirk Siegel (Bildungsakademie der Bauwirtschaft Baden-Württemberg) und Marius Haubrich (Handelsverband Württemberg e.V.) zeigte sich schnell, dass Vereinbarkeit ein Wettbewerbsvorteil ist beim Ringen um Fachkräfte, dass es aber mit Homeoffice alleine nicht getan ist.
In manchen Branchen, wie dem Einzelhandel oder der Bauwirtschaft ist die Präsenz der Belegschaft schließlich unabdingbar. Hier liegt der Fokus auf einem Kulturwandel in den Unternehmen. Diese müssen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden stärker wahrnehmen, um dann zum Beispiel passende Arbeitszeitmodelle anzubieten. Der Dialog sei entscheidend, denn nur „sprechenden Menschen kann geholfen werden“, wie Marius Haubrich bemerkt. Hier sind vor allem Führungskräfte gefragt, die in ihren Teams Bedürfnisse ermitteln.
Das „Sprechen“ sollte aber nicht nur im Unternehmen stattfinden, sondern auch viel mehr zwischen den Unternehmen, die viel voneinander lernen könnten, ist sich Christine Schneider sicher.
Birgit Buschmann weist auf die oft fehlende Kinderbetreuung hin, einem Dreh- und Angelpunkt der Vereinbarkeit von Job und Familie. Auch hier können Unternehmen tätig werden mit so genannten „Tigermodellen“, bei denen die Firmen geeignete Räume für die Tagespflege von Kindern zur Verfügung stellen.
And The Winner is…
Dass sich einige Firmen schon auf einem guten Weg befinden, Unternehmensziele und Bedürfnisse der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen, zeigt die Auswahl der Gewinner des Family.net Awards 2022, die sich in folgenden Kategorien beworben hatten:
Die Gewinner erhalten in Kürze ihren „Meilo“, einen „Oskar“, der für Meilensteine auf dem Weg zum familienfreundlichen Unternehmen steht, sowie eine Urkunde und ein Siegel für die Website.
Folgende Unternehmen wurden mit dem vierten Award „familyNET 4.0 – Unternehmenskultur in einer digitalen Arbeitswelt“ ausgezeichnet.
Alle Gewinner
Kategorie: Alle Handlungsfelder (Führung 4.0 und flexible Teamstrukturen, Personal- und Organisationsentwicklung, Gesundheitsprävention und Work-Life Balance, Agiles lebensphasenorientiertes Arbeiten)
Eine Sonderauszeichnung erhielt
Kategorie: Führung 4.0 und flexible Teamstrukturen
Kategorie: Personal- und Organisationsentwicklung
Kategorie: Gesundheitsprävention und Work-Life-Balance
Zum familyNET4.0-Award: Ausgezeichnet wurden Unternehmen mit einer modernen Unternehmenskultur 4.0, die innovative und nachhaltige Konzepte umsetzen und Angebote und Maßnahmen für eine digitalisierte Arbeitswelt entwickelt und eingeführt haben. Der Wettbewerb würdigt das Engagement der Unternehmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bewertet wurden die eingereichten Bewerbungen von einer Jury, die sich aus Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus zusammensetzte.
Wer macht was? Charakteristika der Sieger-Unternehmen