Berufsfeld KI: So gelingt Frauen der (Quer-)Einstieg

„Was kompliziert klingt, wird einfacher, wenn wir uns damit beschäftigen.“

Mit diesen ermutigenden Worten umriss Inge Zimmermann, Leiterin der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart, den Tenor der Online-Veranstaltung „100 Minuten KI“ am 9. Juli 2025.
Ziel der gemeinsamen Veranstaltung der neun Kontaktstellen Frau und Beruf Baden-Württemberg : Frauen praktische Wege aufzeigen, wie sie den Einstieg oder Quereinstieg ins Berufsfeld Künstliche Intelligenz (KI) erfolgreich gestalten können – auch ohne Informatikstudium.

Vier Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft gaben Einblicke in ihre Programme, Erfahrungen und Erkenntnisse.

 

Deutscher KI-Sektor wächst – viele offene Stellen

Der deutsche KI-Sektor wächst rasant: Von 7,2 Milliarden Euro (2024) auf über 32 Milliarden Euro bis 2030 – so aktuelle Prognosen. Dennoch ist das Berufsfeld stark männlich dominiert: Nur 16 % der KI-Jobs in Deutschland sind mit Frauen besetzt.

Dabei sind viele Rollen auch für Quereinsteigerinnen zugänglich – von der Data Analystin bis zur KI-Projektmanagerin. 180.000 offene KI-Stellen zeigen: Fachkräfte werden gebraucht.

 

Was bedeutet es, in der KI zu arbeiten?

„Im KI-Feld zu arbeiten bedeutet, an der Entwicklung, Anwendung oder Erforschung intelligenter Systeme beteiligt zu sein“, erklärt Dr. Paula González Avalos, Leiterin der AI Academy beim appliedAI Institute for Europe. Paula González betonte, dass es sich dabei um ein interdisziplinäres Feld handelt, in dem ganz unterschiedliche berufliche Hintergründe zusammenkommen. Sie veranschaulichte dies anhand ihres eigenen Werdegangs – von der molekularen Biotechnologie zur Data Scientist und heute zur Leiterin der AI Academy – und am Beispiel ihres fünfköpfigen Leadership-Teams, das u. a. aus Sozialwissenschaft, Volkswirtschaft und Informatik stammt. Die Möglichkeiten reichen also von technischen Rollen wie Machine Learning Engineer oder Data Scientist bis hin zu Schnittstellenfunktionen in Ethik, Kommunikation, UX-Design oder Projektmanagement.

Besonders spannend im Berufsfeld KI:

  • Die Grenzen zwischen den Rollen verschwimmen
  • Fachfremde Kompetenzen wie Ethik- oder Wirtschaftswissen werden zunehmend gebraucht
  • Jede kann ihren Weg finden – entscheidend ist die Kombination aus vorhandenem Know-how und neuen KI-Skills

 

Welche Kompetenzen brauche ich?

Die Anforderungen an Skills im KI-Feld sind vielfältig – von technischer Kompetenz bis hin zu ethischer Reflexion und strategischem Denken. Das appliedAI Institute hat dazu ein „KI-Skills Framework“ mit 12 Kompetenzbereichen entwickelt, darunter:

  • Generelles KI-Wissen
  • Datenkompetenz
  • Programmierung
  • Maschinelles Lernen
  • KI-Ethik & Regulierung
  • Geschäftsstrategie
  • Innovation & Stakeholder-Kommunikation
  • Generative KI & Softwaredesign

Besonders wichtig: Nicht jede Rolle braucht alle Skills oder ein tiefes Level. Stattdessen unterscheiden sich die Anforderungen je nach Position deutlich. Paula González zeigte reale Kompetenzprofile von Menschen aus dem appliedAI-Team – von der Trainerin mit breitem, grundlegendem Wissen bis hin zum Researcher mit tiefen technischen Fähigkeiten.

Ihre zentrale Botschaft: Nicht die Tiefe zählt allein, sondern die Passung zum gewünschten Jobprofil.

 

Wie komme ich dahin?

Den Weg in die KI beschreibt González als individuellen Lern- und Entwicklungsprozess, der in fünf Schritten verlaufen kann:

  1. Eigene KI-Skills beschreiben
  2. Persönliche Skill-Level erfassen (z. B. mit dem KI-Kompetenz-Check des Institutes)
  3. Erforderliche Skills für gewünschte Rollen ermitteln
  4. Kompetenzlücken identifizieren
  5. Spezifischen Bildungsbedarf ableiten

Sie stellte dazu ein interaktives Online-Tool vor, mit dem Interessierte in wenigen Minuten ihr KI-Skillprofil erfassen und darauf aufbauend Weiterbildungsempfehlungen erhalten können.

Ein konkreter Tipp von ihr: Wer zum Beispiel aus der Ethik, dem Gesundheitswesen oder dem Design kommt, sollte das eigene Fachwissen gezielt mit KI-Kompetenzen kombinieren – denn „Fachwissen lässt sich nicht einfach ersetzen, KI-Skills aber erlernen“, so Paula Gonzáles.

Das KI-Skills Framework wird im September 2025 beim Event „Shaping the Future Skills“ in Heilbronn offiziell vorgestellt. Dort gibt es auch praxisorientierte Workshops zu verschiedenen Rollen im KI-Feld.

Generell bietet das appliedAI Institute selbst auch eine Fülle an Weiterbildungsmöglichkeiten an - von kostenfreien Online-Kursen bis hin zu kompletten Programmen.

 

Wie reagieren Unternehmen?

„Die Zukunft unserer Wirtschaft besteht aus Bildung und Innovation“, so Tim Beichter von der Forschungsinitiative “Global Upskill” beim Fraunhofer IAO. Gemeinsam mit Dr. Manuel Kaiser zeigte er auf: Unternehmen verändern durch KI nicht nur ihre Produkte, sondern auch ihre Arbeitsweisen. Berufliche Kompetenzen werden neu definiert. Unternehmen müssen heute vorausschauend denken und Kompetenzlücken antizipieren, statt nur auf akuten Bedarf zu reagieren.

Deshalb setzen Unternehmen zunehmend auf Upskilling, Reskilling und Cross-Skilling – also die Weiterqualifizierung der eigenen Mitarbeitenden. Besonders betont wurde die Rolle der überfachlichen Kompetenzen: Ohne Neugier, kritisches Denken und Kommunikationsfähigkeit lassen sich technische Skills nicht nachhaltig anwenden. Auch das World Economic Forum nennt bis 2030 Kompetenzen wie kreatives Denken, Neugier, Resilienz und Lernbereitschaft als Schlüssel für KI-Berufe.

Hilfreiche Tools wie der Transformationsnavigator des Fraunhofer IAO helfen Unternehmen dabei, strategische Kompetenzfelder zu erkennen und passende Lernformate zu entwickeln.

 

Was brauchen Frauen mit Migrations- oder Fluchterfahrung?

Bethan Williams von Kiron Open Higher Education stellte das Programm THRIVE vor – ein 9-monatiger Online-Kurs in „Data Analytics“ oder „Applied AI“ für Frauen mit Fluchterfahrung.
Denn: Nur 29 % geflüchteter Frauen in Deutschland haben nach sieben Jahren einen Job – trotz guter Qualifikation. Über die Hälfte der Teilnehmerinnen im THRIVE-Programm hat einen Masterabschluss.

THRIVE setzt auf:

  • Digitale Lernplattform (z. B. DataCamp)
  • Zertifizierungen & Portfolioarbeit
  • Mentoring, Coaching & Community
  • Tools wie LinkedIn Premium oder Mock Interviews mit Expertinnen und Experten

 

Bethan Williams beschrieb mehrere typische Hindernisse für Frauen mit Migrationsgeschichte im Quereinstieg in die Tech-Welt. Oft fühlen sie sich als „Außenseiterinnen“, kämpfen mit Impostor-Syndrom und fehlenden Netzwerken. Diese Hindernisse können man überwinden, indem man das Selbstvertrauen der Frauen stärkt, Fähigkeiten sichtbar macht und sie Schritt für Schritt lernen – nicht alles auf einmal.

 

Konkret: Welche Rollen und Wege gibt es für Quereinsteigerinnen?

Das von Lisa Schaber in der Kontaktstelle Frau und Beruf Neckar-Alb entwickelte KI-Toolkit benennt verschiedene Einstiegsrollen im KI-Umfeld – je nach Vorerfahrung. So eignet sich beispielsweise ein Quereinstieg als Prompt Engineer oder AI Content Designer für Menschen, die grundsätzlich über eine gute Ausdrucksfähigkeit, (sprachliche) Kreativität und Interesse an KI-Tools wie ChatGPT oder Midjourney etc. verfügen. Prompt Engineers müssen nicht zwingend Programmierkenntnisse aufweisen, sondern vielmehr Sprach- und Textkompetenz. Gebraucht werden Prompt Engineers oder Content Designer in den Bereichen Marketing, HR, Kommunikation, Bildung.

Auch Rollen wie Data Analysts, KI-Product Owner oder AI Business Analysts eignen sich für einen Quereinstieg – oft reicht Grundlagenwissen in Excel, Statistik oder Python. 

Das Toolkit beinhaltet außerdem verschiedene Checklisten mit denen man sich einen Überblick über die persönlichen digitalen Grundkenntnisse oder auch Soft Skills verschaffen kann. Darüber hinaus führt Lisa Schaber im Toolkit detailliert verschiedene Weiterbildungen, Selbstlernplattformen sowie Netzwerke und Communities für Frauen im KI-Bereich auf.

Zum Toolkit

Fazit: Der Einstieg ist möglich – auf vielen Wegen

Ob mit geisteswissenschaftlichem, kaufmännischem oder gestalterischem Hintergrund: Frauen haben vielfältige Chancen, in der KI-Welt Fuß zu fassen – auch ohne Informatikstudium.

„Nicht alles auf einmal lernen – sondern das Nötige, wenn es nötig wird“, so fasste Bethan Williams das Motto aller Vorträge noch einmal zusammen. 

Wer bereit ist, sich auf Neues einzulassen, kontinuierlich zu lernen und die eigenen Fähigkeiten sichtbar zu machen, findet in der KI nicht nur einen zukunftsfesten Beruf, sondern auch eine Chance zur beruflichen Selbstverwirklichung.

KI-Toolkit

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