„Was ist eine Tupperparty?": Auch diese überraschende Frage musste Christina Grasnick (41) beantworten. Gestellt wurde sie von Polina Melech (39). Der aus Russland – genauer: Moskau – stammenden jungen Frau war solch eine Verkaufsveranstaltung mit Haushaltsartikeln aus Kunststoff offenbar nicht geläufig.
Die Tupper-Frage ist symbolisch für den Schwerpunkt dieses Tandems, das im vergangenen Jahr beim Mentorinnen-Programm der Kontaktstelle Frau und Beruf Mannheim an den Start ging. Denn von Beruf könnten die beiden Frauen, die sich im Übrigen auf Anhieb gut verstanden, unterschiedlicher nicht sein. Polina Melech ist eine Frau der Zahlen: Sie studierte in Russland „economics and finance“ und kam als Finanzfachfrau im Jahr 2018 nach Deutschland.
Ihre Mentorin Christina Grasnick dagegen ist eine Frau der Sprache – die gelernte Redakteurin arbeitet bei der Stadt Mannheim im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. „Von der Finanzbranche habe ich keine Ahnung“, räumt Christina Grasnick gern freimütig ein. Aber darum geht es auch nicht immer bei diesem vom Land geförderten Programm, das helfen soll, aus dem Ausland eingewanderte, gut ausgebildete Frauen in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. „Bei uns standen mehr die kulturellen Tipps und das Sprachliche im Vordergrund“, so Christina Grasnick. Denn der Schlüssel zu aller Integration und damit die erste zu nehmende Hürde ist immer die Sprache der neuen Heimat. „Polina hatte ja schon eine gute Basis“, stellte Christina Grasnick, zum ersten Mal als Mentorin dabei, fest. Und das hängt mit dem Lebensweg der Russin Polina Melech zusammen. „Die Familie meiner Mutter stammt aus Deutschland“, sagt Polina Melech. Sie selbst hat eine eigene Familie mit zwei Kindern. Und sie kam 2018 nach Mannheim.
Für Polina Melech war indessen immer klar, „ich wollte wieder in meinem Beruf arbeiten“. Sie habe „große Erfahrungen in Russland gesammelt“ und das sollte nicht umsonst gewesen sein. Von Absagen oder der Tatsache, dass manche von den vielen Bewerbungen nicht einmal beantwortet wurden ließ sie sich nicht abschrecken. Und hier kam Christina Grasnick ins Spiel. Sie korrigiert im Lauf des Gesprächs den Eindruck, dass ihre Aufgabe die der Motivation war. „Motivieren musste ich Polina nicht, das hat sie schon selbst gemacht. Ich habe ihr eher Mut gemacht.“ Zum Beispiel vor einem Vorstellungsgespräch: „Da ist man schon sehr nervös, da erlebt man Stress“, sagt Polina Melech. Durch die regelmäßigen Gespräche mit Christina Grasnick – die mit ihr Gesprächssituationen durchging – „bin ich ruhiger geworden“. Christina Grasnick ergänzt: „Ich habe ihr zum Beispiel gesagt, dass es nichts Schlimmes ist, wenn man Details im Lebenslauf darstellen muss.“ Dass Polina Melech zwei „große Kinder“ hat habe man „als Stärke darstellen können“, so Grasnick. Zum Beispiel anhand des damit verbundenen hohen Grades an Organisationsfähigkeit.
Ein halbes Jahr lang arbeiteten die beiden Frauen zusammen an der beruflichen Zukunft der Mentee. Meist auf gemeinsamen Spaziergängen, denn die Corona-Pandemie behinderte Arbeiten am Schreibtisch. „Ich kann mich noch gut an unser erstes Treffen erinnern“, sagt Christina Grasnick, die sich sofort gut mit ihrer Mentee verstand. „Wir haben eineinhalb Stunden geredet und Polina hat mir gesagt, dass sie noch nie so lange am Stück Deutsch geredet habe.“ Polina Melech lacht zustimmend. Für sie war von Anfang des Mentorinnen-Programms klar: „Ich wusste nicht, was ich bekomme. Aber ich wusste, dass ich tolle Erfahrungen bekomme.“ Über mehrere „Quellen“ habe sie von dem Mentorinnen-Programm für Migrantinnen der Kontaktstellen Frau und Beruf gehört – beim Jobcenter, in den sozialen Medien, überall sei davon die Rede gewesen. Und schließlich stellte sie sich dort vor und bewarb sich um eine Mentorin. Und die Mitarbeiterinnen der Kontaktstelle Frau und Beruf Mannheim haben einmal mehr einen tollen Job gemacht. Mit ihrer Erfahrung und ihrem Geschick haben sie die beiden Frauen zu einem funktionierenden Tandem gematcht.
Polina Melech profitierte von der Vermittlung der Kultur, der Sprache, Christina Grasnick sagt denn auch: „Polina hat alles aufgesaugt wie ein Schwamm.“ Vor allem, wenn sie sie beim Sprechen korrigierte. Dann wurde die von der Kontaktstelle Frau und Beruf der Stadt Mannheim mitgegebene Mappe durchgearbeitet, was auch die Nennung von Stärken und Fähigkeiten etwa beinhaltete.
Den Stolz auf ihre Mentee will die Mentorin Christina Grasnick erst gar nicht verstecken: Denn Polina Melech kann seit Sommer vergangenen Jahres erzählen, dass sie sogar den Sprung in die Finanzbuchhaltung eines weltweit operierenden Konzerns geschafft hat. Für Christina Grasnick ist nicht nur dieser Erfolg etwas, was sie sicherlich eines Tages wieder zur Mentorin werden lässt. „Ich wollte einfach auch mal etwas zurückgeben, weil ich es nicht sonderlich schwer hatte im Berufsleben.“ Sie habe auch gesehen, wie schwer es Eingewanderte generell auf dem deutschen Arbeitsmarkt hätten. Mitgenommen aus dem Projekt, das sie vor allem als Vermittlung von „Soft Skills“ bezeichnet hat Christina Grasnick die Freude an dem Kontakt mit ihrer Mentee, die sie an Aussagen wie dieser festmacht:
Alles ist möglich, wenn du es möchtest.
Man kann dieses Tandem auf den von Christina Grasnick so formulierten Nenner bringen: „Es hat super funktioniert.“ Nicht mehr. Nicht weniger. Ihr Interesse an der russischen Kultur, so die Mentorin Grasnick, sei zudem gewachsen. „Jetzt steht noch ein russisches Essen aus“, sagt Christina Grasnick lachend. „Das fehlt noch.“ Vielleicht ja nach dem geplanten gemeinsamen Besuch der aktuellen Ausstellung „Arbeit & Migration“ im Technoseum Mannheim.
Text von Susanne Roth (Redaktionsbüro ROTHstift, Pforzheim) im Auftrag der Kontaktstelle Frau und Beruf Mannheim – Rhein-Neckar-Odenwald, Foto privat.
Mentee Polina Melech (links) und Mentorin Christina Grasnick (rechts)