Aisha Haidari

Eine Afghanin mit einem Bachelor in Chemie

Immer wieder kommt es vor, das Wort, das mit „M“ beginnt. Mut machen, das ist es, was Friederike Keitel (50) immer wieder erwähnt, wenn sie von ihrer ehrenamtlichen Arbeit als Mentorin spricht. Darin hat sie Erfahrung, im Mut machen und darin, tatkräftig konkrete Hilfe anzubieten. Die Business Managerin aus dem Enzkreis weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, im Ausland neu anzufangen. Mit dieser Einstellung und Erfahrung ist Friederike Keitel natürlich prädestiniert, um die Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald bei ihrem im fünften Jahr angelaufenen und vom Land geförderten Mentorinnen-Programm für Frauen mit Migrationshintergrund zu unterstützen.



Nicht nur Bachelor in Chemie, sondern auch Master
Umgekehrt ist es für die Mentee, die Friederike Keitel an die Hand gegeben wurde, ebenfalls ein Zeichen, dass Vertrauen in ihre Fähigkeiten besteht. Das wohl zu Recht: Die aus Afghanistan stammende Aisha Haidari (28) hat in ihrem Heimatland, das sie 2016 verließ, Chemie studiert. Vier Jahre lang, bis zum Bachelor-Abschluss. Das Anliegen – das Friederike Keitel nun als Erstes zusammen mit ihrer Mentee angehen will: In Deutschland wird nur ein Semester anerkannt; Aisha Haidari müsste also im zweiten Semester einsteigen, wenn sie bei ihren Plänen bleiben will, nicht nur den Bachelor in Chemie zu machen, sondern auch den Master. „Ja, das will ich auf jeden Fall versuchen“, sagt sie.


Ausbildung als Option
Ansonsten bliebe der jungen Mutter einer vierjährigen Tochter noch die Option, eine Ausbildung zu machen. Dass sie ehrgeizig ist war auch für Friederike Keitel sofort spürbar. „Am Anfang“, sagt Aisha Haidari, „war es sehr schwierig, weil das nicht anerkannt wurde.“ Inzwischen hat sie sich damit abgefunden und schaut zusammen mit ihrer Mentorin nach vorne. Diese hat bereits die zweite Mentee unter dem Dach der Kontaktstelle vermittelt bekommen. Und ist überzeugt von solchen Projekten, „weil es toll ist, wenn es Menschen gibt, die einen bestärken, Dinge anzugehen, die man sich erst nicht traut zu machen“. Das hat sie selbst am eigenen Leib erfahren. Zur Kontaktstelle kamen beide Frauen auf eigene Initiative. Friederike Keitel damals, weil die Forschungseinrichtung in den Osten verlegt wurde und sie eine Neuorientierung brauchte; Aisha Haidari, weil sie von einer Saisonarbeiterin von der Kontaktstelle hörte.


Gebildeten Frauen aus dem Ausland
Marija Madunic, die nicht müde wird, zu betonen, dass man diese gebildeten Frauen aus dem Ausland unbedingt fit machen muss für den deutschen Arbeitsmarkt, erkannte in beiden das Potenzial und dass Friederike Keitel wie geschaffen für Aisha Haidari sein würde. Und umgekehrt. Beide Frauen schätzen sich sehr und wissen aber auch: Es liegt eine Menge Arbeit vor ihnen. Diese wird vielleicht nicht, so schätzt Friederike Keitel, mit dem Ende des Projekts im Herbst in trockenen Tüchern sein. Klar ist jetzt schon, dass es aber auch kein abruptes Ende der Unterstützung geben soll. „Das wäre ja schade“, findet Keitel, die in Aisha Haidari eine Frau sieht, die das Projekt Mentorinnenprogramm „auch wirklich will“.

Mir tut es einfach leid, wenn ich diese gebildeten, klugen Leute sehe, die hier bei Null wieder anfangen müssen.

Aisha Haidari ihrerseits ist „sehr froh, dass es jemand gibt, der mich unterstützt und mir den Weg zeigt“.  Zum Beispiel den: „Wie wäre es mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit, um mehr Deutsch zu sprechen?“, fragt Friederike Keitel, wohl wissend, dass man in Zeiten der Pandemie an ein paar Türen mehr wird klopfen müssen. Der Vorschlag scheint anzukommen bei ihrer Mentee: Die Augen von Aisha Haidari jedenfalls leuchten auf.

Mentee Aisha Haidari (links) und Mentorin Friederike Keitel (rechts)

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