Personalentwicklung: Frauenkarrieren entwickeln, heißt Fachkräfte sichern

Laut Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (kofa) fehlten zu Beginn des Jahres 2022 rund 560.000 Fachkräfte in Deutschland – ein neuer Rekord. Wer im Wettbewerb um Talente und Fachkräfte die Nase vorn haben will, muss nicht nur das Recruiting breiter aufstellen und zum Beispiel weibliche Fachkräfte gezielt ansprechen. Unternehmen müssen auch aktiv Personalentwicklung betreiben und darauf achten, die Fähigkeiten ihrer Beschäftigen weiter zu entwickeln und sie so langfristig an das Unternehmen zu binden. Auch hier lohnt es sich, den Karriereweg von Frauen stärker in den Blick zu nehmen. Denn Frauen sind heute bestens qualifiziert, oft sogar besser als Männer. Aber sie erreichen häufig nicht die Positionen oder Jobs, die ihren Qualifikationen und Potenzialen entsprechen. Unternehmen, die ihren weiblichen Fachkräften helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten, können sich einige Vorteile verschaffen.

Karrieren von Frauen fördern - das bringt's!

Karrieren von Frauen fördern - so geht's!

Wie gehen Unternehmen am besten vor, wenn sie ihre weiblichen Fachkräfte gezielter fördern und lange im Unternehmen halten wollen?
 

Ziel: Frauenförderung in der Unternehmenskultur verankern

Wer als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin beim Thema Chancengleichheit für Frauen glaubwürdig und attraktiv sein will, sollte Frauenförderung strategisch in der Unternehmenskultur verankern. Dies gelingt nicht immer von heute auf morgen, aber jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Folgende Denkweise sollte sich in dieser Unternehmenskultur etablieren:

  • das Unternehmen sieht Vielfalt als Chance
  • Frauen und Männer können gleichberechtigt Karriere machen
  • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch in Führungspositionen möglich
  • die Arbeitszeiten können je nach Lebensphase fexibel gestaltet werden
     

Ist-Analyse

Jeder erfolgreichen Strategie geht eine gründliche Analyse des Status Quo voraus. Zur Ist-Analyse gehören:

  • Wie viele Beschäftigte hat das Unternehmen aktuell?
  • Wie hoch ist der Anteil von Frauen in den Unternehmensbereichen und Funktionen?
  • Wie sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen qualifiziert?
  • Welche Qualifikationen sind für welche Postionen erforderlich?
  • Wie sind die Arbeitszeitmodelle ausgestaltet?
  • Welche Beschäftigungsformen bieten wir an? (befristet / unbefristet)
  • Wie ist die Alterstruktur der Beschäftigten?
  • Wie viele Auszubildende gibt es?
  • Wieviel Personal geht in den kommenden Jahren in den Ruhestand?
  • Welche Positionen werden durch Ruhestand vakant?
  • Wieviel Personal benötigt das Unternehmen zukünftig, um die Unternehmensziele zu erreichen?
  • Entstehen neue Geschäftsfelder, für die Personal gebraucht wird?
  • Welche Qualifikationen benötigt das Personal in der Zukunft?

Nachdem Bestands- und Bedarfszahlen vorliegen lässt sich auswerten, in welchen Bereichen, Positionen oder Qualifikationsfeldern Frauen im Unternehmen über- oder unterrepräsentiert sind, wo Frauen mit Entwicklungspotenzial arbeiten und wo zukünftig der Frauenanteil erhöht werden soll.

  • Sind die Prozesse im Unternehmen zur Gewinnung neuer Mitarbeitender so angelegt, dass sie im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes Frauen und Männer gleichberechtigt ansprechen?
  • Sind Stellenanzeigen geschlechtsneutral formuliert?
  • Überzeugen die Anstrengungen des Unternehmens, Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern herzustellen beziehungsweise Frauen gleichermaßen zu fördern?
  • Kann das Unternehmen eventuell Zertifikate oder Auszeichnungen vorweisen, die auf eine besonders gleichberechtigte Unternehmenskultur hinweisen?

In diesem Analyseblock sollten Unternehmen kritisch hinterfragen, inwieweit die Maßnahmen zur Bindung von Mitarbeitenden im Unternehmen auf die Bedürfnisse und Interessen der weiblichen Fachkräfte zugeschnitten sind. Folgende Leitfragen bieten dazu Orientierung:

  • Kennen Sie die speziellen Bedürfnissen und Interessen der weiblichen Belegschaft?
  • Führt das Unternehmen regelmäßige Befragungen in der Belegschaft und Personalgespräche durch, um die Bedürfnisse und die Mitarbeiterinnenzufriedenheit herauszufinden?
  • Welche Themen tauchen in den Gesprächen speziell bei den weiblichen Fachkräften auf (z.B. Familienfreundlichkeit, flexible Arbeitsmodelle, Pflege von Angehörigen)?
  • Kann das Unternehmen in diesen Bereichen Angebote vorweisen oder entwickeln (z.B. Kinderbetreuung oder finanzielle Unterstützung)
  • Wie beurteilen weibliche Fachkräfte die Angebote des Unternehmens?
  • Bieten Sie Frauen gleichermaßen Qualifizierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten an wie Männern?
  • Können (weibliche) Beschäftigte, die familiär gebunden sind, die Angebote problemlos wahrnehmen?
  • Nehmen weibliche Beschäftigte Ihre Angebote wahr?
  • Bieten Sie auch während Eltern- oder Pflegezeiten Personalentwicklungsmaßnahmen?
  • Kennen Sie die Karrierewünsche Ihrer weiblichen Beschäftigten?
  • Besprechen Sie die Laufbahnplanung regelmäßig mit jungen Nachwuchskräften?

Ziele definieren

Nachdem klar ist, wie es aktuell um den Status Quo der weiblichen Beschäftigten in dem Unternehmen bestellt ist, sollten konkrete und messbare Ziele für die Zukunft definiert werden. Konkret und messbar bedeutet, dass detailliert Bereiche, Funktionen, Prozentsätze und Zeitpläne festgelegt werden, zum Beispiel:

Mehr Frauen für Fach- und Führungspositionen

  • in den Abteilungen/ Bereichen ...,
  • für die Positionen .....,
  • bis zum Zeitpunkt ...,
  • mit einem Budget von ... gewinnen

und damit

  • den Anteil weiblicher Beschäftigter auf ... Prozent erhöhen oder
  • eine Anzahl von ... weibliche Beschäftigte erreichen.

Um den Zielen Nachdruck zu verleihen und auch intern wichtige Signale an die Belegschaft zu senden, können Unternehmen eine Selbstverpflichtung eingehen und diese intern sowie extern kommunizieren.

Konkrete Maßnahmen sichtbar umsetzen

Mit den folgenden Instrumenten können Unternehmen Rahmenbedingungen so gestalten, dass auch weibliche Fachkräfte ihr volles Potenzial entfalten können. Das sichert nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Die Förderung von Karrierewegen von Frauen beginnt bei der Werbung um den beruflichen Nachwuchs. Wer frühzeitig bei der weiblichen Zielgruppe bekannt ist, erhöht seine Chancen auf potentielle Bewerberinnen.

  • Beteiligen Sie sich an speziellen Aktionstagen wie dem Girls' Day, der Mädchen und jungen Frauen speziell Einblicke in Berufe und Studiengänge geben soll, bei denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt.
  • Bieten Sie über Schulkooperationen, Anzeigen und die sozialen Medien gezielt Praktika für Mädchen und Studentinnen in Ihrem Betrieb an.
  • Unterstützen Sie Mädchen-Arbeitsgemeinschaften, falls diese an Schulen Ihrer Region vorhanden sind.
  • Bieten Sie sich für Schulpartnerschaften oder auch für Mentoring-Programme für Studentinnen an.

Vor allem Mütter, die nach der Elternzeit wieder in den Beruf einsteigen wollen, bringen neben ihrer formalen Qualifikation wertvolle Kompetenzen für die Arbeitswelt mit: sie sind hoch motiviert, zuverlässig, lösungsorientiert und effizient. Diese Fachkräfte können Sie für Ihr Unternehmen begeistern oder an Ihr Unternehmen binden, indem Sie

  • bereits während der beruflichen Auszeit Kontakt halten (Unternehmensnews nach Hause senden, kleinere Netzwerkveranstaltungen, Gespräche der Führungskräfte)
  • flexible Arbeitszeiten und vielfältige Teilzeitmodelle ermöglichen
  • Schulungen anbieten, um gegebenenfalls Wissen aufzufrischen
  • gezielt bei der Agentur für Arbeit nach Wiedereinsteigerinnen fragen

Führen Sie frühzeitig und regelmäßig Gespräche mit Ihren weiblichen Fachkräften über mögliche Karrierewege im Unternehmen und die Entwicklungsschritte dorthin. Analysieren Sie gemeinsam mit der Kandidatin Stärken und Schwächen und schlagen Sie gezielte Fortbildungen oder sogar berufsbegleitende Studien vor.

So signalisieren Sie Wertschätzung und bieten Anreize und konkrete Wege an, auch nach eventuellen Auszeiten für die Familienarbeit wieder auf den geplanten Karriereweg zurückzukehren.

Wenn die Laufbahnplanung als Karriereziel eine Führungsaufgabe ergeben hat, sind Mentoring- oder Coachingprogramme bewährte Instrumente auf dem Weg zum Ziel. Erfahrene Führungskräfte (Mentorin oder Mentor) begleiten Nachwuchsführungskräfte (Mentees) über eine bestimmte Zeit. Die Mentees lernen Regeln, Gepflogenheiten und Abläufe  für Führungskräfte kennen und können sich Rat für spezielle Herausforderungen im Berufsalltag holen. Eine Mentoring-Beziehung ist langfristig angelegt und zielt auf die berufliche Entwicklung der Person ab.

Coachings helfen zielorientierter bei der Erfüllung spezifischen Aufgaben und sind zeitlich eher kurzfristig angelegt.

Gute Rahmenbedingungen, Familien- und Erwerbsarbeit zu verbinden, sind für die Mehrheit der Frauen der wichtigste Faktor bei der Unternehmenswahl oder der Entscheidung, auf eine Position zurückzukehren.

  • Familienfreundlichkeit beginnt bereits in der Elternzeit. Halten Sie den Kontakt zu den Mitarbeitenden, wie unter Punkt 3 beschrieben.
  • Bieten Sie flexible Teilzeitarbeitsmodelle während der Elternzeit an. So bleibt die Verbindung zum Berufsleben erhalten. Eltern dürfen übrigens bis zu 30 Stunden in der Woche berufstätig sein während der Elternzeit.
  • Ermöglichen Sie Fortbildungen während der Elternzeit.
  • Seien Sie auch nach dem Ende der Familienphase für verschiedene Teilzeitmodelle offen. Vor allem Mütter wünschen sich häufig mehr Spielraum als nur 50 oder 100 Prozent.
  • Auch wenn nicht jedes Unternehmen eine eigene Kita stemmen kann, unterstützen Sie bei der Suche oder Finanzierung der Kinderbetreuung oder bieten Sie eine Notfallbetreuung an. So sind zum Beispiel Eltern-Kind-Büros eine dankbare Unterstützung, falls die Kinderbetreuung kurzfristig ausfällt.

Im Wettbewerb um weibliche Fachkräfte können Sie außerdem punkten, wenn Sie für die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner möglicherweise ebenfalls eine Karriere in Ihrem Unternehmen anbieten oder Kontakte zu anderen suchenden Unternehmen herstellen können. Viele Paare wollen gleichberechtigt Karriere machen, was häufig zu verschiedenen Wohnorten führt und eine gemeinsame Lebensplanung erschwert. Wer also gleich doppelt attraktive Karriere-Perspektiven bieten kann, ist als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber sehr interessant und wird mit loyalen Mitarbeitenden belohnt.