Die Frauenwirtschaftstage sind eröffnet!

Frauenwirtschaftstage: Eröffnung

Auftakt der Frauenwirtschaftstage mit Ministerin Hoffmeister-Kraut (rechts vorne)

Während der Frauenwirtschaftstage, die landesweit zwischen dem 18. und dem 21. Oktober stattfinden, werden rund 100 Veranstaltungen zum Thema Frau und Beruf, unter anderem zu dem diesjährigen Schwerpunktthema "New Work und Flexi Time – ein Gewinn für Frauen und Unternehmen", angeboten.

Die Auftaktveranstaltung am 5. Oktober im Haus der Wirtschaft in Stuttgart versammelte Veranstalterinnen, Ausstellerinnen und interessierte Personen, überwiegend Frauen. Das Auftaktevent verzeichnete die höchste Anzahl von Anmeldungen seit Beginn der Frauenwirtschaftstage. Die Teilnehmerinnen genossen inspirierende Vorträge, eine Podiumsdiskussion und knüpften nachfolgend bei einem Buffet mit musikalischer Begleitung wertvolle Netzwerke. Hier einige Eindrücke von der Veranstaltung.

 

Win-Win durch flexible Arbeitszeitmodelle

Für die Gastgeberin, Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut, sind die Frauenwirtschaftstage von besonderer Bedeutung. Als Mutter von drei Töchtern und vielbeschäftigte Politikerin kennt sie persönlich den Spagat zwischen Beruf und Familie. Nicht selten gerieten Frauen bei diesem Balanceakt zwischen Familie und Job selbst ins Hintertreffen.

Die Frauenwirtschaftstage hingegen stellten Frauen in den Mittelpunkt und untersuchen die notwendigen Veränderungen der Rahmenbedingungen für weibliche Beschäftigte, betonte die Ministerin. Die Pandemie habe in den letzten Jahren die Entwicklungen von New Work und Digitalisierung vorangetrieben. Homeoffice und Online-Meetings hätten die Situation für Frauen verbessert, da flexiblere und auch vollzeitnahe Beschäftigungsverhältnisse möglich sind. Auch Männer profitierten von flexibleren Arbeitszeiten und haben dadurch die Chance, die Familienarbeit partnerschaftlich zu gestalten.

Insgesamt ergibt sich nach Meinung der Wirtschaftsministerin eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Mitarbeitende. Durch Flexibilisierung der Arbeitsmodelle stünden mehr Frauen mit ihrem Fachwissen zur Verfügung und brachliegende Talente würden gefördert. Frauen profitierten gleichzeitig in Bezug auf Karriere und Einkommen. Karriere sollte auch in Teilzeit oder im Jobsharing möglich sein. Hier seien Unternehmen, die Gesellschaft und die Politik gefordert, so Hoffmeister-Kraut.

 

Abschied vom Vollzeitdogma

Eine, die New Work bereits intensiv lebt, ist die Keynotesprecherin Elly Oldenbourg. In ihrer energiegeladenen Rede spricht sich die Powerfrau dafür aus, das Vollzeitdogma zu überwinden und nicht mehr in den Kategorien Vollzeit/Teilzeit zu denken. Teilzeitarbeit gehe oft mit starren Arbeitszeiten, niedrigerem Gehalt, weniger anspruchsvollen Aufgaben und schlechteren Karriereaussichten einher, so ihre Erfahrung. Kurz gesagt, es bedeute mehr Stress für weniger Gehalt und Einfluss. Derzeit bilden 840.000 Teilzeitfrauen eine "stille Reserve". Unternehmen sollten kreativer werden, um das Potenzial dieser Frauen zu nutzen. Oldenbourg setzt sich für Jahres- oder Lebensarbeitszeitkonten ein, die flexibel auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden reagieren und lebensphasenorientiertes Arbeiten ermöglichen.

Unternehmen müssten experimentierfreudiger werden, um herauszufinden, was in ihrem eigenen Betrieb funktioniere. Dazu gehören auch Modelle des Jobsharings, die für Unternehmen viele Vorteile bieten, ebenso wie die Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit, was die Produktivität steigert. In einem leergefegten Arbeitsmarkt gelten Frauen oft als "low hanging fruit", also als leicht verfügbare Lösung. Oldenbourg sieht das jedoch anders: Immer mehr gut ausgebildete Frauen werden die Früchte selbst pflücken und Angebote ablehnen, die nicht zu ihren Lebensbedingungen passen.

 

Geteilte Führung: Erfolgreiche Tandems

Um neue New Work-Ansätze erfolgreich umzusetzen, sind Vorbilder von großer Bedeutung. Ein bereits seit vielen Jahren erfolgreiches Jobsharing-Tandem in einer Führungsposition sind Katja Tiltscher und Kathrin Anandasivam, die auf dem Podium über ihre Erfahrungen berichten.

Seit sechs Jahren teilen sie sich eine Management-Position beim Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf und waren das erste Tandem in der Firma, das Führungsverantwortung übernahm. Inzwischen sind sie für 1.000 Mitarbeitende verantwortlich.

Damit ein Tandem funktioniere, sei gegenseitiges Verständnis und eine auf Augenhöhe stattfindende Zusammenarbeit entscheidend, betont Tiltscher. Ähnliche Wertvorstellungen der Tandem-Partnerinnen zum Thema Führung seien von großer Bedeutung. Auch eine ähnliche Arbeitsmotivation sei hilfreich.

Derzeit arbeiten beide in einem 70-Prozent-Vertrag und ergänzen sich in ihren Bedürfnissen. Während die eine wegen der Kinderbetreuung früher beginnt, kann die andere nachmittags länger arbeiten. Natürlich sei ein Tandem mit insgesamt 140% Arbeitskraft teurer als eine einzelne Stelle, aber es habe nicht nur den Vorteil, dass immer jemand ansprechbar sei: "Zusammen bringen wir 20 Jahre Führungserfahrung mit!", betont das Tandem.

Auch bei Uzin Utz gibt es Führungstandems. Das funktioniere dort sowohl bei sich freiwillig zusammen findenden Führungspersonen also auch bei "zwangsverheirateten", wie der Personalchef bei der Podiumsdiskussion ausführt.

 

Die Viertagewoche: Weniger Arbeit, aber produktiver?

Ein umstrittenes Thema in der Diskussionsrunde zu New Work ist die Viertagewoche. Während Elly Oldenbourg auf beeindruckende Studienergebnisse hinweist, die weniger Arbeitszeit mit höherer Produktivität in Verbindung bringen, sieht die Wirtschaftsministerin die Viertagewoche skeptisch, da bereits jetzt schon viele Arbeitskräfte fehlten.

Eine Befürworterin der Viertagewoche ist Denise Schmid, Head of HR/Finance bei Decor-Technik DT Vertrieb bei Karlsruhe. Sie berichtet von der erfolgreichen Umsetzung dieser Arbeitszeitregelung in ihrem Unternehmen im Jahr 2022. Eine Testphase wurde durchgeführt, anschließend etwas nachjustiert und die Viertagewoche wurde dann für alle Realität. Die Mitarbeitenden äußerten in einer Umfrage zu 100 Prozent ihre Zufriedenheit mit der Viertagewoche, die bei vollem Lohnausgleich angeboten wird.

In einem Vertriebsunternehmen sei solch eine Umstellung relativ problemlos möglich, insbesondere weil bereits in der Vergangenheit bei Decor-Technik freitags nur halbtags gearbeitet wurde. Allerdings sei diese Regelung sicherlich nicht pauschal für alle Branchen zu empfehlen. Jedes Unternehmen müsse individuell prüfen, ob die Viertagewoche zu den Unternehmenszielen und der Branche passe. Schmid äußert auch Bedenken, dass bald die Forderung nach einer Dreitagewoche laut werden könnte.

 

Der Mann auf dem Podium

Der einzige männliche Teilnehmer auf dem Podium ist Florian Neymeyer, Personalchef von Uzin Utz, einem Unternehmen in Ulm, das auf Bodenbeläge spezialisiert ist und für seine Familienfreundlichkeit mit dem Familynet Award 4.0 ausgezeichnet wurde. Uzin Utz bietet verschiedene Arbeitsmodelle an, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten sind. Neymeyer betont: "Die Beschäftigten sollen so arbeiten können, wie es für sie gut ist", und stellt die Menschen in den Mittelpunkt der unternehmerischen Überlegungen.

Im Unternehmen werden keine starren Modelle vorgegeben, sondern die Mitarbeitenden werden ermutigt, das Modell zu wählen, das am besten zu ihnen passt. Es wird nicht nur auf die Arbeitszeit geachtet, sondern auch auf die Ideen und Ergebnisse jedes Einzelnen. Neymeyer selbst arbeitet seit 2014 nur vier Tage die Woche und hat mit diesem Model eine erfolgreiche Karriere im Unternehmen gemacht.

Kreativität und Innovationen sind gefragt

"Frauen waren noch nie so gut ausgebildet wie heute und der Beschäftigungsstand noch nie so hoch. Aber: rund die Hälfte arbeitet in Teilzeit," fasst Birgit Buschmann aus dem Referat Wirtschaft und Gleichstellung des Wirtschaftsministeriums die derzeitige Situation abschließend zusammen.

Frauen wollten zum Teil mehr, Väter zum Teil weniger arbeiten. Der Wunsch nach ähnlich viel Zeit mit den Kindern und finanzieller Unabhängigkeit beider Partner wachse. Vor diesem Hintergrund brauche es einen Kulturwandel in den Unternehmen.

"Ein Zurückbleiben bei Vielfalt und moderner Arbeitsorganisation ist mit Blick auf den internationalen Wettbewerb keine Option", so Buschmann. "Innovationen – Grundlage unseres Wohlstands - entstehen nicht nur auf Basis technologischer Entwicklungen. Es braucht dazu Kreativität, Vielfalt, soziale und organisationale Innovation".

 

Der Ausklang

Der Abschluss der Eröffnung der Frauenwirtschaftstage mit der Band Brosowskeys ermöglichte den Teilnehmenden beim Abendessen Kontakte zu knüpfen und ihre Netzwerke zu vertiefen.

Einige Aussteller, darunter die Kontaktstellen Frau und Beruf-BW, die Spitzenfrauen-BWFamilynet, die Agentur für Arbeit und andere, präsentierten ihre Initiativen und Angebote an Ständen im Haus der Wirtschaft und luden dort zum Gespräch ein.

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