FairTech - Faire Technologie für alle

Buchbesprechung - Neuerscheinung Oktober 2023

Mina Saidze befasst sich in ihrem neuen Buch “FairTech" mit den Auswirkungen von Digitalisierung und Technologie - insbesondere der künstlichen Intelligenz - auf die Gesellschaft von heute und morgen.
Das Buch ist ein Plädoyer für eine „faire Technologie“, die dem Menschen dient und für alle zugänglich sein sollte. In 12 Kapiteln und auf über 300 Seiten setzt sich die Tech-Expertin intensiv mit den aktuellen Fragen rund um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz auseinander.

 

FairTech? Warum das notwendig ist

Technologie müsse fair und für alle zugänglich sein, so das Hauptanliegen des Buches: „Nur durch Teilhabe entsteht Gerechtigkeit. Und einer der wichtigsten Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft ist Technologie.“ Für die Autorin ist klar: Bei allen technischen Entwicklungen sollte der Mensch im Mittelpunkt stehen und damit auch der verantwortungsvolle Umgang mit Technologien zum Wohle der Menschheit.

Doch die Chancen, an der Digitalisierung teilzuhaben, seien ungleich verteilt: „Das fängt schon damit an, dass es vom Elternhaus abhängt, ob ich einen Laptop bekomme, und hat Auswirkungen auf meine schulische Laufbahn“, kritisiert die Technik-Expertin mit afghanischen Wurzeln.

 

Sind wir bald alle überflüssig?

Kapitel 2 befasst sich mit den Auswirkungen der Automatisierung auf die menschliche Arbeit. Die Expertin diskutiert die Hypothese, dass die Weiterentwicklung der Technologie dazu führen könnte, dass menschliche Arbeit überflüssig wird. Die technologischen Entwicklungen verbreiten eine „Aufbruchsstimmung einerseits, aber auch eine drohende Untergangsstimmung andererseits“. Das verunsichere viele: „Vom Taxifahrer oder der Kassiererin über kreative Berufe wie Übersetzer, Journalisten und Künstler bis hin zu Spezialisten wie Ingenieuren und Datenexperten - wir alle sind in unterschiedlichem Ausmaß betroffen, ob wir wollen oder nicht“. Umso wichtiger sei es, vor diesen Entwicklungen nicht die Augen zu verschließen.

 

Frauen und Technik

Im dritten Kapitel geht Mina Saidze auf das Problem der Geschlechterdiskriminierung in der Tech-Industrie ein. Die Fachfrau kritisiert, dass Frauen in der Tech-Branche oft unterrepräsentiert sind: Laut einer aktuellen Studie von McKinsey vom Januar 2023 seien gerade einmal 22 Prozent aller europäischen Tech-Jobs von Frauen besetzt. Fehlende Frauen in der Tech-Branche könnten ihre wertvollen Perspektiven nicht in die Produktentwicklung einbringen, was auch ein Nachteil für die Unternehmen sei, stellt Mina Saidze fest.

Auch bei den Automatisierungsprozessen, die mit KI einhergehen, könnten Frauen zu den Verliererinnen gehören: Laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds haben Frauen ein durchschnittliches Risiko von elf Prozent, ihren Job durch Automatisierung zu verlieren, verglichen mit neun Prozent bei ihren männlichen Kollegen, zitiert Mina Saidze.

Aufgrund des technologischen Wandels und des akuten Fachkräftemangels sind laut Mina Saidze dringend auch Programme für Quereinsteigerinnen nötig, die „um die Ecke denken und flexibel auf Veränderungen reagieren“.

 

KI bei der Jobsuche

Ein ganzes Kapitel widmet Saidze dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Rekrutierungsprozess. Die Autorin geht der Frage nach, ob KI-Systeme in der Lage sind, effektiv zu entscheiden, wer eingestellt werden sollte, und wie Rassismus und Sexismus durch Automatisierung Einzug halten können. Sie untersucht auch alternative Methoden, die potenzielle Gefahren beim Einsatz von KI verhindern könnten.

 

KI und digitale Verantwortung

Wie kann Künstliche Intelligenz beherrschbar bleiben? Saidze hält eine klare Regulierung und Struktur für notwendig, um das Potenzial von KI optimal zu nutzen. Sie betont, dass beim Einsatz von KI-Systeme ethische Grundsätze und menschenzentrierte Technologien immer eine Rolle spielen müssen.

Die geplante KI-Verordnung der Europäischen Kommission sei Segen und Fluch zugleich. Segen, „weil wir uns endlich mit der KI-Ethik auseinandersetzen... Fluch, weil die Unternehmen durch hohe Kosten zusätzlich belastet werden und viele Unklarheiten entstehen können, die den Innovationsstandort Deutschland gefährden“. Richtig umgesetzt, könne die KI-Verordnung aber als solide Rechtsgrundlage dienen, um Entwicklerinnen, Produzentinnen, Kundinnen und Nutzerinnen von KI-Systemen Rechtssicherheit zu geben.

 

Deutschland als digitales Hinterland

Anhand zahlreicher Beispiele wie dem Netzausbau, aber auch der Bildungslandschaft diskutiert Mina Saidze die fehlenden Investitionen in die Digitalisierung in Deutschland. FairTech bedeute „Zugang zur Digitalisierung und die Möglichkeit, sie mitzugestalten. Es bedeutet auch, dass jeder Zugang haben sollte, egal wo er sich befindet: "Es ist an der Zeit, Funklöcher zu schließen und dafür zu sorgen, dass jeder einen Computer besitzen kann. Nur so können wir eine Zukunft schaffen, in der Technologie fair und für alle zugänglich ist".

 

Innovationsfähigkeit im Technologiesektor

Kapitel 8 befasst sich mit der Notwendigkeit, die deutsche Wirtschaft aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und sich den Herausforderungen der digitalen Welt zu stellen. Dies betreffe Unternehmen aller Größenordnungen, von Start-ups über den Mittelstand, der an bewährten Praktiken festhalte und sich digital neu erfinden müsse, bis hin zu Großkonzernen, die teils von Bürokratie und Angst gelähmt seien. Die Datenexpertin betont die Bedeutung einer mitarbeiterorientierten Kultur und Empathie, um die digitale Zukunft erfolgreich zu gestalten, ohne den Menschen aus den Augen zu verlieren. Mutige Schritte seien jetzt notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der digitalen Welt zu sichern.

 

Die digitale Spaltung der Gesellschaft

In Kapitel 9 geht die Autorin auf die digitale Spaltung der Gesellschaft ein. Sie argumentiert, dass der technologische Fortschritt die Kluft zwischen denen, die vom technologischen Fortschritt profitieren, und denen, die damit umgehen müssen, vergrößert hat. "Wenn Tech-Unternehmen ungehindert agieren können, besteht das Risiko der Monopolbildung und des Missbrauchs ihrer immensen Marktmacht. Ein unkontrolliertes Treiben könnte den Wettbewerb behindern und Innovationen ersticken, was wiederum den Verbrauchern und der gesamten Gesellschaft schaden könnte". Dabei wirft die Tech-Expertin auch ein Blick nach USA und China.

Die Gesellschaft müsse sich solidarisch vernetzen, um ein gerechtes Miteinander zu gewährleisten. Für die Digitalisierung als wichtigen politischen Faktor sei es entscheidend, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger an diesem Diskurs beteiligen könnten. Dies erfordere den Schutz der Bürgerrechte und die Einbeziehung vielfältiger Stimmen, um Diskriminierung zu vermeiden. Bürgerinnen und Bürger seien gefordert, sich aktiv für eine gerechte Digitalisierung einzusetzen und dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft in der digitalen Welt zusammenhält und niemand ausgeschlossen wird.

 

Viele Probleme: Wo liegen die Lösungen?

Abschließend zeigt Mina Saidze konkrete Lösungsansätze auf und unterscheidet zwischen Aufgaben für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie stellt einen 4-Punkte-Plan für die Politik und einen 5-Punkte-Plan für die Wirtschaft auf. Mina Saidze kommt außerdem zu dem Schluss, dass eine stärkere digitale Medienkompetenz und kritische Reflexion notwendig sind, um die Gesellschaft auf den technologischen Fortschritt vorzubereiten: "Wir müssen unsere Bürger und Bürgerinnen umfassend aufklären und sie in die Lage versetzen, die digital Transformation verantwortungsbewusst mitzugestalten". Die Fachbuchautorin gibt Hinweise, wie unterschiedlichste gesellschaftliche Akteure dazu beitragen können, dieses Ziel zu verwirklichen.

 

Fazit

Das Buch "FairTech" liefert eine detaillierte und fundierte Analyse der Auswirkungen von Technologie auf die Gesellschaft. Die Autorin schlägt Lösungen vor, um sicherzustellen, dass Technologie fair und zugänglich ist und eine gerechtere Zukunft möglich ist.

Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über den technologischen Fortschritt, die digitale Kluft und die Herausforderungen, denen sich Politik und Gesellschaft in Zukunft stellen müssen. Es ist ein Buch für alle, die darüber nachdenken, wie Technologie unser Leben verändert.

 

Zur Autorin

Mina Saidze, geboren 1993, ist Datenexpertin, Gründerin, Autorin und eines der bekanntesten Gesichter der Digitalszene in Deutschland. Die Tochter politischer Aktivisten aus Afghanistan arbeitet im Bereich Big Data und KI für Startups und Konzerne. Mit Inclusive Tech gründete sie europaweit die erste Beratungs- und Lobbyorganisation für Diversity in Tech und berät weltweit führende Unternehmen. Das Forbes Magazin platzierte sie auf der »30 under 30« Liste 2021.