Hybrides Arbeiten: So funktioniert´s

New Work: Frau streckt sich genüsslich vor dem PC

Welche Faktoren zu einem gesunden, mobilen Arbeiten beitragen hat eine Studie untersucht.

Führt mehr mobiles Arbeiten zu mehr Gesundheit und weniger emotionaler Erschöpfung und Burnout? Oder ist das Gegenteil der Fall? Das untersuchte Stephan Böhm, Professor an der Universität St. Gallen und Leiter der Studie „social health@work" (PDF) in einer dreieinhalbjährigen Längsschnittstudie, bei der mehr als 8000 Erwerbstätige halbjährlich an einer Befragung teilgenommen haben.

 

Leichter Rückgang nach der Pandemie

Das hybride Arbeiten (arbeiten in Präsenz plus Arbeit im Homeoffice oder mobil) ist nach der Pandemie etwas zurückgegangen. In den meisten Unternehmen, die es während der Pandemie eingeführt haben, ist es allerdings nicht mehr wegzudenken, stellt die Studie fest. Sie befasst sich mit den Einflüssen hybrider Arbeitsstrukturen auf Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten. Und mit den damit eng verbundenen Arbeitsergebnissen.

 

Das wollen die Beschäftigten

Während der Pandemie stieg der Wunsch der Beschäftigten nach mobilen Arbeitstagen kontinuierlich an. Gegen Ende der Pandemie ging er jedoch wieder leicht zurück. Heute wünschen sich die Beschäftigten im Durchschnitt zwei bis zweieinhalb mobile Arbeitstage pro Woche.

Der oberflächliche Eindruck, dass alle nur noch zu Hause arbeiten wollen, um neue Freiheiten in der Arbeitsgestaltung zu genießen, trügt also, sagt Stephan Böhm in einem Online-Seminar. Er hat herausgefunden, dass mehr mobiles Arbeiten auch zu einer Verschlechterung der Gesundheit führen kann. Das hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Selbstmanagement oder der Qualität der virtuellen Führung.

 

Der Einzelne muss seine Grenzen ziehen

Beschäftigte, die viel oder ausschließlich mobil arbeiten, berichten von mehr Stress als solche, die gar nicht oder wenig mobil arbeiten. Wer mobil arbeitet, muss also seine Grenzen aktiv managen und selbst Trennlinien ziehen. Wo früher beispielsweise die Unternehmenspforte Arbeit und Feierabend trennte, müssen nun eigene Grenzen gesetzt werden. Wer mobil oder zu Hause vor dem PC arbeitet, bestimmt das Verhältnis von Arbeit und Privatleben neu. 

Nicht nur die zeitliche Begrenzung muss geregelt werden, sondern auch der Ort, an dem gearbeitet wird. Hier rät Böhm im Onlineseminar, auch zuhause einen festen Platz zu wählen. Wenn man dann den Arbeitsplatz verlässt, zieht man damit automatisch die Grenze zur Arbeit und schaltet besser ab.

 

Permanente Erreichbarkeit stresst

An dieser Stelle kommt auch die Erreichbarkeit ins Spiel: Wer das Firmenhandy im Arbeitsraum liegen lässt, zieht einen Schlussstrich unter die Arbeit und schaltet schneller in den Erholungsmodus als jemand, der ständig mit Mail, SMS oder dienstlichen Whatsapps beschäftigt ist.

 

Männer grenzen sich besser ab

Zu Beginn der Pandemie, so Böhm, belegten die Männer vorhandene Arbeitszimmer. Obwohl sich das räumliche Grenzmanagement über die Zeit hinweg sowohl bei Frauen als auch bei Männern positiv entwickle und der Arbeitsort also zunehmend besser vom Privatleben abgegrenzt werde, gelingt Männern diese Abgrenzung insgesamt besser als Frauen, wie die Studie belegt.

 

Aktiv regenerieren

Wer in seiner Freizeit aktiv ist, zum Beispiel Sport treibt oder einen Kochkurs besucht, regeneriert schneller. Bei hoher aktiver Freizeitgestaltung wird der (zusätzliche) Stress der mobilen Arbeit laut Studie gut kompensiert. Wer passiver ist, baut Stress schlechter ab.

 

Rituale einführen

Wichtig für das eigene Grenzmanagement sind auch neue Rituale. Die aktive Einstimmung auf die Arbeit, die früher vielleicht auf dem Weg zur Arbeit stattfand, sollte durch andere Gewohnheiten ersetzt werden. Gleichzeitig helfen Rituale auch beim Loslassen von der Arbeit und der Hinwendung zu anderen Beschäftigungen in der Familie, im Freundeskreis oder der Freizeit.

 

Führung von virtuellen Teams

Kann ich bei der Arbeit ich selbst, also authentisch sein oder muss ich mich verstellen? Fühle ich mich dem Team zugehörig? Gibt es einen sozialen Rahmen, der mich trägt? Dies sind Fragen, die die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Teammitgliedern maßgeblich bestimmen und die bei der Führung von hybrid arbeitenden Teams neu überdacht werden müssen, weil das Soziale teilweise auf Distanz stattfindet.

In der Regel sinkt mit zunehmender mobiler Arbeit das Zugehörigkeitsgefühl zum Team und die Authentizität. Was kann eine Führungskraft tun, um dem entgegenzuwirken? „Nur virtuell Kaffee zu trinken, funktioniert nicht“, meint Böhm. Führungskräfte müssten zu „Beziehungsmanagern“ werden und sich genau fragen, was das Team in Präsenz und was es in der Distanz machen soll.

Ein Präsenztag, an dem jedes Teammitglied mit seinen eigenen Videokonferenzen beschäftigt ist, sei verloren. Der Professor nutzt die Präsenz seines eigenen Teams gerne für Strategiediskussionen und zum Ideensammeln. Auch zufällige Kontakte auf dem Flur seien für das Team bedeutend.

Je mehr Regeln oder Vereinbarungen es für die mobile Zusammenarbeit im Team gibt (z.B. zur Nutzung von Kommunikationskanälen oder zur Erreichbarkeit), desto weniger Konflikte zwischen Arbeit und Familie gibt es für die Beschäftigten.

 

Gute digitale Führung beugt Überlastung vor

Beschäftigte, die viel oder sehr viel mobil arbeiten, fühlen sich in der Regel von ihren Führungskräften weniger wahrgenommen als Beschäftigte, die wenig oder gar nicht mobil arbeiten. Sichtbarkeit ist aber ein wichtiger Faktor für zum Beispiel Aufstiegschancen. Bei guter digitaler Führung tritt dieser Effekt kaum auf und die Mitarbeitenden fühlen sich trotz der Distanz entsprechend gut wahrgenommen. Eine gute Beziehung zur Führungskraft führt zu weniger Work-Life-Konflikten und beugt emotionaler Überlastung vor.

Die Anwesenheitszeiten werden von Böhm im eigenen Team auch für persönliche Feedbackgespräche genutzt, da sich hier Stimmungen leichter zeigen als virtuell. Insgesamt sei virtuelle Führung aufwändiger, konstatiert der Professor. Es erfordere eine klare Kommunikation und ein feines Gespür, Signale für Probleme zu erkennen.

 

Tipp für den Wochenstart

Böhm selbst hat gute Erfahrungen mit einem Check-in zu Wochenbeginn gemacht. Dabei werden Fragen gestellt, die über den beruflichen Kontext hinausgehen (aber von zurückhaltenden Personen nicht unbedingt beantwortet werden müssen): Was war gut am Wochenende? Was sind meine Themen für diese Woche? Sich daraus ergebende Diskussion ergeben Anknüpfungspunkte für die Teammitglieder, die dann weiter in Kontakt bleiben.

 

Tipps für Führungskräfte

  • Kommunizieren Sie klar, transparent und wertschätzend!
  • Fördern Sie eine auf Vertrauen basierte Ergebniskultur: Nicht Anwesenheit, sondern das Ergebnis zählt!
  • Seien Sie ein Vorbild für flexibles Arbeiten, das auch für Führungskräfte Grenzen hat.
  • Fördern Sie Inklusion: Ermutigen Sie die Beschäftigten authentisch zu sein. Fördern Sie das Zusammengehörigkeitsgefühl!
  • Mehr Tipps unten im Video.