Jobcrafting: Arbeitszufriedenheit verbessern statt kündigen

Manuela Reik.

Auftaktveranstaltung mit Manuela Reik zum Jahresthema der Kontaktstellen

Nach einer Studie von Ernst & Young vom August 2023 hat sich in den letzten Jahren die Zahl derer drastisch erhöht, die einen Jobwechsel in Betracht ziehen. Etwa zwei Drittel der Befragten denken demnach oft oder zumindest gelegentlich daran, eine neue Arbeit zu suchen.

Doch ist der Jobwechsel die einzige Lösung, um zufriedener zu arbeiten, die eigenen Stärken besser einsetzen zu können? Hier kommt das Jobcrafting ins Spiel. „Job Crafting ist das aktive und individuelle Gestalten der eigenen beruflichen Arbeit, wobei sich Berufstätige aus innerer Motivation heraus bemühen, die Arbeit selbstständig umzugestalten und zu verbessern.“ (Quelle)

„Schaffe Dir eine Welt, in der Du gerne zur Arbeit gehst!“

Manuela Reik, Dipl.-Betriebswirtin (FH)/MBA

Den Job selbst in die Hand nehmen

„Stellen Sie sich Ihren Job als knorrigen Ast vor. Entweder Sie beißen sich daran die Zähne aus oder Sie schnitzen sich daraus einen eleganten Wanderstock, um die täglichen Hürden im Alltag besser bewältigen zu können“, wägt Birgit Buschmann, Leiterin Referat Wirtschaft und Gleichstellung im Wirtschaftsministerium, in ihrem Grußwort zur Veranstaltung ab. Jobcrafting sei aber nicht nur ein individuelles Thema sondern gehe auch die Unternehmen an. Denn Arbeitnehmende, die motivierter und sinnerfüllter arbeiten, seien leistungsfähiger und empfänden mehr Verbundenheit zum Arbeitgeber. Freiräume zum Jobcrafting anzubieten, könne also auch für Unternehmen ein Weg sein, die so dringend benötigten Fachkräfte nicht nur zu finden, sondern auch langfristig zu binden.

 

Lebe ich, um zu arbeiten oder arbeite ich, um zu leben?

In Ihrem Vortrag zur Eröffnung des Jahresthemas der Kontaktstellen* motiviert Manuela Reik die Zuhörerinnen, darüber nachzudenken, wie sie den eigenen Job verbessern können, anstatt gleich zu kündigen.  Denn auch in einer kleinen Umfrage während des Events stellt sich heraus, dass knapp die Hälfte der 168 Anwesenden den Job entweder nur zum notwendigen Geldverdienen sieht oder von Wochenende zu Wochenende lebt:


Wie geht Jobcrafting?

„Warum ist denn das Wochende bei vielen schöner als die Arbeitswoche?“ regt Reik die Zuschauer zur eigenen Situationsanalyse an. Die Antwort: Weil hier mehr Selbstbestimmung herrscht, weil wir Dinge tun können, die wir als lohnenswert erachten, die unseren Interessen entsprechen und leicht von der Hand gehen. Oft werden ehrenamtliche Tätigkeiten auch als sinnerfüllter betrachtet als die eigene Arbeit. Wie aber kann man den eigenen Job auf dieses Level heben? Manuela Reik sieht hier vier Felder, die „gecraftet“ (= verändert) werden können:

  • Die eigenen Aufgaben, die proaktiv geändert werden können.
  • Beziehungen zu Kolleginnen, Vorgesetzen oder auch Kundinnen etc., die gestaltet werden können.
  • Die eigene Wahrnehmung des Jobs, die zum Beispiel von oben betrachtet, eine andere Richtung bekommen kann.

Wahrnehmung ändern

An einem bemerkenswerten Beispiel aus der Forschung zeigt Reik auf, wie zum Beispiel die Wahrnehmung des Jobs einen Einfluss auf die eigene Zufriedenheit hat: In einer Studie wurden ungelernte Reinigungskräfte in einem Krankenhaus gefragt, warum sie ihren Job machten. Die Antworten reichten von „ich bin ungelernt und habe keine andere Chance auf dem Arbeitsmarkt“ bis hin zu „ich schaffe Ambiente zum Heilen, so dass die Patienten schneller genesen“. Die zuletzt Antwortenden nahmen ihren Job als sinnvoller wahr, weil sie damit etwas Gutes tun. Auch ihre Beziehungen zu den Patientinnen und Patienten waren dadurch besser.

Indem die Arbeit in den größeren Kontext gestellt wird und sich die Wahrnehmung positiv gestaltet, konnte der Job verbessert werden.

 

Bestandsaufnahme

Zu Beginn des Jobcraftings empfiehlt Reik eine Bestandsaufnahme mit folgenden Fragen:

  • Wo stehe ich?
  • Wo will ich hin?
  • Wer hilft mir auf meinem Weg?

Beim weiteren Hinschauen müssen dann außerdem Fragen beantwortet werden, wie:

Chancen und Herausforderungen

Reik verschweigt nicht, dass es auch Grenzen des Craftings gibt. Manche Unternehmen mit sehr engen Stellenbeschreibungen ließen es nicht zu, dass sich die Mitarbeitenden daraus lösten. Oder die Unternehmenskultur biete nicht genug Freiraum für die Angestellten. Aus Unternehmenssicht könne mancher Veränderungswille vonseiten der Belegschaft auch den Unternehmenszielen entgegenstehen. Sie empfiehlt aber allen Vorgesetzten, den Gestaltungsspielraum zu schaffen und ihren Mitarbeitenden zu vertrauen, und sie zu befähigen ihre Jobs in die eigene Hand zu nehmen.  

 

Aus Unternehmenssicht

Auch der Gast Sven Klitzschmüller, Leiter Personal der DRF Luftrettung, unterstreicht, dass Jobcrafting bei der Mitarbeitendengewinnung und -bindung hilfreich ist. Ob eine Kündigung vermieden  wird, sei von Fall zu Fall unterschiedlich. Jedenfalls brauche es Vertrauen, Respekt, Flexibilität und eine offene Kommunikation in den Unternehmen, damit die Spielräume entstünden. Nicht alle Unternehmen seien dazu geeignet. Und so bleibt dann in manchen Fällen doch nur der Leitsatz „Love it, change it or leave it.“

 

Beratung in den Kontaktstellen

Damit es zur besten Entscheidung zum Thema Jobwechsel kommt, empfiehlt die Beraterin Ingrid Münzer im Interview mit Manuela Reik, einen Termin in den Kontaktstellen Frau und Beruf. Umorientierungsberatung ist dort ein großes Thema: 63 Prozent aller Ratsuchenden kämen mit diesem Bedarf und klagten über zu viel Arbeit, langweilige Tätigkeiten, wenig Wertschätzung oder fehlende Gestaltungsmöglichkeiten. All diese Kundinnen können im Beratungsgespräch neue Impulse bekommen hin zu einem zufriedeneren Job.

Hier finden Sie die nächstgelegene Kontaktstelle Frau und Beruf und können einen Beratungstermin vereinbaren. Der Anspruch der Kontaktstellen ist es dabei, umfassend, neutral und in vertrauensvoller Atmosphäre zu beraten, um die jeweils passende, persönliche Lösung zu finden. Wichtige Themen sind Berufsorientierung, Aufstieg, Umstieg, Weiterqualifizierung, Existenzgründung, Wiedereinstieg sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

 

Weitere Infos

* Der Vortrag von Manuela Reik war Teil der Auftaktveranstaltung der Kontaktstellen zum Jahresthema  FRAUEN GESTALTEN ZUKUNFT nachhaltig – digital – gemeinsam.

  • Manuela Reik ist Dipl.-Betriebswirtin (FH)/MBA, erfahrene Führungskraft in internationalen Konzernen, Beraterin, Business Coach und Trainerin.
  • Zum Jahresthema werden 2024 weitere Events der Kontaktstellen Frau und Beruf folgen.
  • In diesem Jahr feiert das Landesprogramm Frau und Beruf BW sein 30-jähriges Bestehen.
  • Durch den Abend führte Ingrid Zimmermann, Leiterin der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart - Region Stuttgart.

„Stellen Sie sich Ihren Job als knorrigen Ast vor. Entweder Sie beißen sich daran die Zähne aus oder Sie schnitzen sich daraus einen eleganten Wanderstock, um die täglichen Hürden im Alltag besser bewältigen zu können.“

Birgit Buschmann, Leiterin Referat Wirtschaft und Gleichstellung im Wirtschaftsministerium