Die in China geborene Jing Kuntschner ist schon lange in Deutschland und möchte beruflich neue Wege gehen. Mit Hilfe ihrer Mentorin Ellen Wilhelm erarbeitet sie im Mentorinnen-Programm für Migrantinnen den roten Faden ihrer umfangreichen Berufserfahrung und ihres breiten gesellschaftlichen Engagements.
Über eine Kollegin im Internationalen Beirat der Stadt Pforzheim erfuhr Jing Kuntschner (52) vom Mentorinnen-Programm für Migrantinnen der Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald. Da wurde sie hellhörig - vielleicht wäre das eine Möglichkeit, die eigenen beruflichen Karten noch einmal neu zu mischen? Denn die Corona-Krise hatte Jing Kuntschner - wie viele andere auch - zum Nachdenken über ihren künftigen Berufsweg gebracht. Steckt noch mehr in ihr? Welche Ziele will sie in Zukunft erreichen? Was bringt sie dafür mit? Wie kann sie sich orientieren und die richtige Richtung finden? Sie zögerte nicht und meldete sich bei der Kontaktstelle. Keine zwei Wochen später startete sie in den achtmonatigen Mentoring-Prozess.
Auf zu neuen beruflichen Ufern
Vor fast zwanzig Jahren kam Jing Kuntschner der Liebe wegen aus China nach Deutschland. In China war sie in Hafenstadt Yingkou aufgewachsen, hatte später Anglistik studiert und einige Jahre in Shanghai als Sprachlehrerin, Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet. Pforzheim ist seit 2004 ihre zweite Heimat. Hier ist sie neben ihrer Tätigkeit im Internationalen Beirat der Stadt Pforzheim auch Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft Pforzheim/ Enzkreis e.V. und hilft chinesischen Frauen in vielen Fragen des alltäglichen Lebens in Pforzheim. Beruflich arbeitet sie seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen im Vertrieb eines international erfolgreichen Familienunternehmens. Die Zeit der Pandemie hat sie genutzt, um sich berufsbegleitend im Rechnungswesen weiterzubilden. In diesem Bereich möchte sie beruflich neu durchstarten.
Als Mentorin möchte ich dazu beitragen, dass Frauen mit Migrationsgeschichte sich nicht alleine durchkämpfen müssen, sondern von meinem Wissen profitieren und ihre Potenziale ausschöpfen können, anstatt sich im Dschungel von Institutionen und Verständigungsschwierigkeiten zu verheddern.
Geteiltes Wissen entlastet
Begleitet wird sie dabei von Mentorin Ellen Wilhelm. Die 41-Jährige weiß, wie hilfreich Unterstützung in bestimmten Lebenssituationen sein kann. „Ich habe selbst erlebt, wie mühsam es sein kann, wichtige Informationen, Prozesse, Abläufe, Tipps oder auch geeignete Anlaufstellen ganz alleine recherchieren und erarbeiten zu müssen“, sagt die Marketingmanagerin. Und weiter: „Wenn man das dann auch noch in einem Land tun muss, in dem man nicht geboren ist und daher viele Gepflogenheiten und Gegebenheiten nicht kennt, ist das nicht immer einfach und kann frustrierend sein. Als Mentorin möchte ich dazu beitragen, dass Frauen mit Migrationsgeschichte sich nicht alleine durchkämpfen müssen, sondern von meinem Wissen profitieren und ihre Potenziale ausschöpfen können, anstatt sich im Dschungel von Institutionen und Verständigungsschwierigkeiten zu verheddern.“
Auch Ellen Wilhelm hat vor nicht allzu langer Zeit selbst Erfahrungen mit beruflicher Veränderung gemacht und gibt ihr Wissen aus dem Bewerbungsprozess gerne weiter: „Damals habe ich in einem Bewerbungstraining viele Techniken, Methoden und Tipps kennen gelernt, die mir geholfen haben, meinen Fokus zu finden und meinen Kompass auszurichten. Und weil es mir schon vorher viel Spaß gemacht hat, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Auszubildende in ihrem Berufsalltag zu unterstützen, wollte ich mein Wissen wieder weitergeben.“ Da Ellen Wilhelm sich sogar vorstellen kann, in Zukunft auch im Bereich Lehre/Ausbildung tätig zu werden, ist ihr Engagement als Mentorin auch für sie selbst ein Gewinn und eine Erfahrung.
Es ist toll, Ellen an meiner Seite zu haben, die Ordnung und Struktur in meine berufliche Situation bringt. Ich lerne jedes Mal etwas dazu und bin voller Hoffnung, dass ich mit Ellens Unterstützung aus den vielen Möglichkeiten in diesem Land bald etwas Passendes für meinen weiteren Weg finden werde.
Die Chemie stimmt
Schon beim ersten Treffen stimmte die Chemie. Drei Stunden lang tauschten sich die beiden Frauen aus und erzählten von ihren Lebenswegen. Während des Programms treffen sie sich einmal im Monat oder telefonieren miteinander. Da Jing Kuntschners Unterlagen bereits sehr gut aufbereitet waren, ging es dann eher um strategische Fragen: Wo sollte Jing Kuntschner am besten nach passenden Stellen suchen? Kommen Headhunter in Frage? Welche Branchen kommen in Frage? Passen die Stellen, die die Mentee identifiziert hat, zu ihren Zielen und zu ihrer Lebenssituation? Wie kann die Mentee in möglichen Gesprächen ihren Erfahrungsschatz am besten auf den Punkt bringen? Wie erfragt sie Fakten über das Unternehmen, seine Kultur und die Arbeitsbedingungen, die ihr persönlich wichtig sind?
Ellen Wilhelm ist begeistert von ihrer Mentee: „Jing ist nicht nur sozial unglaublich engagiert. Sie bringt auch schon so viel Erfahrung und Qualität für ihre berufliche Weiterentwicklung mit. Sie braucht eigentlich nur ein bisschen Hilfe, um den roten Faden zu finden und so ihr Potenzial auch nach außen deutlich zu machen“.
Das Matching der Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald erwies sich für Mentorin und Mentee als Glücksfall: „Jing hat eine unglaubliche Energie und macht es mir leicht, sie zu begleiten. Es ist ein bisschen wie ein Austausch unter Freundinnen“, sagt Ellen Wilhelm. Auch Jing Kuntschner ist froh, auf das Programm der Kontaktstelle gestoßen zu sein: „Es ist toll, Ellen an meiner Seite zu haben, die Ordnung und Struktur in meine berufliche Situation bringt. Ich lerne jedes Mal etwas dazu und bin voller Hoffnung, dass ich mit Ellens Unterstützung aus den vielen Möglichkeiten in diesem Land bald etwas Passendes für meinen weiteren Weg finden werde.“
Über das Programm:
Das Mentorinnen-Programm für Migrantinnen ist ein zusätzliches Angebot der Kontaktstellen Frau und Beruf Baden-Württemberg. Ziel ist es, Frauen mit Migrationsgeschichte oder geflüchteten Frauen gleiche Chancen auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt zu bieten beziehungsweise sie besser zu integrieren. Viele Frauen bringen aus ihren Herkunftsländern gute berufliche Qualifikationen mit und können somit helfen, die Fachkräftelücke in den Unternehmen zu schließen.
Die Mentorinnen helfen dabei, indem sie Einblicke in Ihre Erwerbstätigkeit, Tipps für die Arbeitssuche geben oder die Mentees mit Ihren Netzwerken bekannt machen. Sie unterstützen die Mentee dabei, eigene Netzwerke für den Einstieg in den Arbeitsmarkt, die berufliche Entwicklung und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufzubauen.
Das Programm startet immer im März ist auf rund neun Monate angelegt. Als Mentee können sich Frauen mit Migrationshintergrund bewerben, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben und deutsche Sprachkenntnisse (mind. B1) sowie eine berufliche Qualifikation mitbringen. Als Mentorinnen können sich berufstätige Frauen, gerne mit eigenem Migrationshintergrund, beteiligen, die mindestens zwei Jahre Erfahrung im Job mitbringen.
Die Kontaktstellen koordinieren das Mentorinnen-Programm für Migrantinnen und unterstützen die Mentorinnen und Mentees mit individueller Beratung, Workshops, Unternehmenseinblicken und Netzwerktreffen.
Interessentinnen aus der Region Nordschwarzwald wenden sich direkt an die Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald: frauundberuf(at)pforzheim.ihk.de
Mehr Informationen über das Mentorinnen-Programm finden Sie hier.
Mentorin Ellen Wilhelm (l.) und Mentee Jing Kuntschner (r.) (Foto: Romy Kam)
Sie wollen auch Mentorin oder Mentee werden? Hier finden Sie alle Informationen zum Mentorinnen-Programm für Migrantinnen.