Lucija Mihanovic-Kraiwesh und Agnes Honka

Plötzlich Kolleginnen

Erfahren Sie, wie aus der Mentorin Agnes Honka und ihrer Mentee Lucija Mihanovic-Kraiwesh, die mit Hilfe des Mentorinnen-Programms für Migrantinnen einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz finden wollte, Kolleginnen wurden.

 

Bis vor kurzem waren Agnes Honka und Lucija Mihanovic-Kraiwesh noch Mentorin und Mentee, feilten an Lucijas Bewerbungen, recherchierten Stellen und bereiteten Vorstellungsgespräche vor. Knapp drei Monate vor Ende des Mentorinnen-Programms für Frauen mit Migrationsgeschichte an dem beide über die Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald teilgenommen hatten, hat Lucija nicht nur einen Job gefunden: sie und Agnes Honka sind jetzt sogar Kolleginnen.

 

Gastronomie statt Verwaltung

Nachdem die 33-jährige Lucija ihren Bachelor in Verwaltungswissenschaften/ Öffentliches Recht in Kroatien in der Tasche hatte, zog es sie 2015 nach Österreich: „Nach intensiven Studienjahren wollte ich ein bisschen reisen, neue Leute kennenlernen und mich in einem neuen Umfeld beweisen.“ So arbeitete sie einige Jahre dort, wo andere Urlaub machen: in Hotels und gastronomischen Einrichtungen in den malerischen österreichischen Bergen. Im Jahr 2018 zog es sie mit ihrem Mann nach Deutschland, mitten in die Goldstadt Pforzheim.  Eigentlich wollte sie hier in ihrem Studienfach - der Verwaltung- beruflich Fuß fassen, doch die Ernüchterung kam schnell: ihr Bachelor-Abschluss wurde nicht anerkannt. Um dennoch finanziell abgesichert zu sein, stieg Lucija wieder in die Gastronomie ein. Ihre Aufgaben waren zum Glück vielfältig und reichten vom Empfangsmanagement, über die Abrechnung und Planung bis hin zu organisatorischen Tätigkeiten. Der Umgang mit verschiedensten Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen prägte stets ihre Arbeit. „Ich bin ein sehr offener Mensch und habe in meiner Zeit in der Gastronomie/Hotellerie gelernt, auch in herausfordernden Situationen gelassen zu bleiben, den Überblick zu behalten und mich gut auf mein Gegenüber einzustellen.“ Diese Kombination aus inhaltlicher Breite und Service-Mentalität sollte sich später als Glücksfall erweisen.

Ich hatte intensiv für meinen Abschluss gearbeitet und damit in mich und meine Zukunft investiert. Das sollte nicht umsonst gewesen sein.

Lucija Mihanovic-Kraiwesh

Neustart nach der Elternzeit

Nach der Elternzeit für ihren 2020 geborenen Sohn startete Lucija einen neuen Anlauf, um beruflich an ihr Studium anzuknüpfen. „Ich hatte intensiv für meinen Abschluss gearbeitet und damit in mich und meine Zukunft investiert. Das sollte nicht umsonst gewesen sein“, beschreibt sie ihre damalige Gefühlslage. Studienleistungen nachzuholen war kurzfristig in ihrer Lebenssituation auch finanziell keine Option. Außerdem fühlte sie sich sprachlich noch nicht sicher genug, um Öffentliches Recht oder Verwaltung auf Deutsch zu studieren.  Also suchte sie weiter querbeet nach Stellen. Und wie es das Glück der Tüchtigen manchmal so will, brachte sie der Weitblick einer Personalerin in einem Bewerbungsgespräch zur Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald in Pforzheim und deren Mentorinnen-Programm für Migrantinnen. Die damalige Leiterin der Kontaktstelle, Marija Madunic, brachte Lucija mit Mentorin Agnes Honka zusammen. Vier Monate nach Beginn der Zusammenarbeit unterschrieb Lucija den Vertrag für ihren neuen Job im Finanzmanagement des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und arbeitet ein paar Schreibtische weiter neben Agnes Honka.

Ich kenne die Prozesse, Strategien und Herausforderungen rund um das Thema Bewerbung und Jobsuche aus meiner eigenen Arbeit sehr gut und dachte mir, dass ich diese Fähigkeiten zusätzlich für diesen guten Zweck einsetzen könnte. Ich wollte etwas zurückgeben.

Agnes Honka

Die Türöffnerin

Mentorin Agnes Honka ist ebenso wie ihre Mentee ein klein wenig überrascht, dass der Mentoring-Prozess so schnell und unkompliziert zum Erfolg geführt hat. „Aber wir haben auch sehr diszipliniert und konkret gearbeitet in unseren Terminen“, sagt sie stolz und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Dass sich dann ausgerechnet bei meinem Arbeitgeber eine solche Chance für Lucija eröffnete, war wohl der Lohn für unsere gute Zusammenarbeit.“ Eine Kollegin von Agnes Honka suchte dringend nach Unterstützung in ihrer Abteilung, die Stiftungen und Spenden verwaltet. In den Gesprächen überzeugte Lucija mit ihrer breiten Erfahrung aus den verschiedensten Verwaltungstätigkeiten in der Gastronomie/Hotellerie, ihrem ausgeprägten Gespür für Service und Betreuung sowie ihrer ruhigen Ausstrahlung überzeugen.

Sich der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen bewusst zu werden, sie anschließend als relevant für eine Stelle zu identifizieren und schließlich im Bewerbungsgespräch selbstbewusst zu präsentieren – darauf hatte sich Agnes Honkas in der Arbeit mit Lucija Mihanovic-Kraiwesh fokussiert. Als Leiterin des Career & Alumni Service am KIT bringt sie für diese Aufgabe die besten Voraussetzungen mit und beschreibt das auch als ihre Motivation, sich als Mentorin zu engagieren: „Ich kenne die Prozesse, Strategien und Herausforderungen rund um das Thema Bewerbung und Jobsuche aus meiner eigenen Arbeit sehr gut und dachte mir, dass ich diese Fähigkeiten zusätzlich für diesen guten Zweck einsetzen könnte. Ich wollte etwas zurückgeben.“ Durch ihre Netzwerke kannte sie die Arbeit der Kontaktstellen Frau und Beruf Baden-Württemberg schon länger und meldete sich schließlich bei der Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald als diese über LinkedIn neue Mentorinnen suchte.

Für Agnes Honka ist ihr Engagement aber nicht nur eine Herzensangelegenheit, weil sie hier ihr berufliches Know-how voll einbringen kann. Sie weiß auch aus eigener Erfahrung, wie schwer es gerade für Frauen sein kann, in einem anderen Land Fuß zu fassen. Ihre Eltern kamen Mitte der 1980 Jahre aus Polen nach Deutschland. Ihr Vater fand nach einem Intensiv-Sprachkurs als Ingenieur Arbeit und war danach beruflich viel unterwegs. Ihre Mutter, die in Polen Lehrerin war, stand jedoch schon damals vor den gleichen Herausforderungen wie Lucija heute: Ihr polnisches Lehramtsdiplom wurde in Deutschland nicht anerkannt und sie musste das deutsche Lehramtsstudium nachholen. Das waren prägende Erfahrungen für Agnes Honka und ihre Familie. Gleichzeitig sei es aber gerade für Frauen wichtig, trotz aller Herausforderungen dranzubleiben und den Berufseinstieg in einem neuen Land unbedingt zu forcieren, um im Notfall für sich selbst sorgen zu können und nicht abhängig zu sein. „Außerdem ist der Beruf durch die vielen persönlichen Beziehungen und Netzwerke im Alltag ein wichtiger Integrationsfaktor – über die Arbeit kommt man einfach schneller an“, bringt es Agnes Honka auf den Punkt.

Agnes hat mir Sicherheit gegeben.

Lucija Mihanovic-Kraiwesh

Mehr als Hilfe bei der Stellensuche

Die Zusammenarbeit mit ihrer Mentorin war für Lucija aber nicht nur deshalb erfolgreich, weil sie am Ende tatsächlich beruflich neu durchstarten konnte. „Agnes hat mir Sicherheit gegeben“, beschreibt Lucija den zweiten großen Erfolg des Mentorings. Den beruflichen Werdegang besser strukturieren, die relevanten Punkte herausarbeiten, Fragen für Bewerbungsgespräche zu üben oder auch einfach nur zeigen, wo sie am besten nach Stellen suchen könne - all die kleinen Schritte gemeinsam mit Agnes Honka zu gehen, war für Lucija Mihanovic-Kraiwesh ebenso wertvoll. Auch für Agnes Honka ist das Mentoring-Programm der Kontaktstelle eine große Bereicherung, sowohl für die Mentees als auch für die Mentorinnen. Es sei ein tolles Gefühl, die Mentee in ihrer gesamten Persönlichkeit wachsen und sich entwickeln zu sehen. „Ich habe Lucija immer ermutigt und gesagt: Sie du selbst, sag, was du denkst und hab keine Angst zu sein, wie du bist! Es ist wirklich schön zu sehen, wie sie das in den gemeinsamen Monaten immer mehr verinnerlich hat.“

Über das Programm:

Das Mentorinnen-Programm für Migrantinnen ist ein zusätzliches Angebot der Kontaktstellen Frau und Beruf Baden-Württemberg. Ziel ist es, Frauen mit Migrationsgeschichte oder geflüchteten Frauen gleiche Chancen auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt zu bieten beziehungsweise sie besser zu integrieren. Viele Frauen bringen aus ihren Herkunftsländern gute berufliche Qualifikationen mit und können somit helfen, die Fachkräftelücke in den Unternehmen zu schließen.

Die Mentorinnen helfen dabei, indem sie Einblicke in Ihre Erwerbstätigkeit, Tipps für die Arbeitssuche geben oder die Mentees mit Ihren Netzwerken bekannt machen. Sie unterstützen die Mentee dabei, eigene Netzwerke für den Einstieg in den Arbeitsmarkt, die berufliche Entwicklung und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufzubauen.

Das Programm startet immer im März ist auf rund neun Monate angelegt. Als Mentee können sich Frauen mit Migrationshintergrund bewerben, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben und deutsche Sprachkenntnisse (mind. B1) sowie eine berufliche Qualifikation mitbringen. Als Mentorinnen können sich berufstätige Frauen, gerne mit eigenem Migrationshintergrund, beteiligen, die mindestens zwei Jahre Erfahrung im Job mitbringen.

Die Kontaktstellen koordinieren das Mentorinnen-Programm für Migrantinnen und unterstützen die Mentorinnen und Mentees mit individueller Beratung, Workshops, Unternehmenseinblicken und Netzwerktreffen.

Interessentinnen aus der Region Nordschwarzwald wenden sich direkt an die Kontaktstelle Frau und Beruf Nordschwarzwald: frauundberuf(at)pforzheim.ihk.de

Mehr Informationen über das Mentorinnen-Programm finden Sie hier.

Mentee Lucija sitzt links neben Mentorin Agnes an einem Tisch eines Restaurants

Mentee Lucija Mihanovic-Kraiwesh (l.) und Mentorin Agnes Honka (r.) (Foto: Romy Kam)

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