Dorothée Seume und Diana Miznazi

Wo und wie finde ich meinen Platz im deutschen Arbeitsmarkt?

Das ist die große Frage, vor der die Frauen stehen, die als Mentees am Mentorinnen-Programm für Migrantinnen teilnehmen“, berichtet Projektleiterin Ursula Lemmertz von der Kontaktstelle Frau und Beruf Freiburg – Südlicher Oberrhein. Sprachkurse und Anerkennungsverfahren benötigen viel Zeit. Oft vergehen mehrere Jahre bis zur ersten Bewerbung. Diese Jahre tauchen dann als „Lücken“ in der Berufsbiografie auf. Das ist eine Herausforderung. Eine andere: Wir hatten Mentees, die bereits kurz nach dem Start des Programms Stellen bekommen haben. Sie sind trotzdem im Programm geblieben und haben die Begleitung und Unterstützung genutzt, um gut im neuen Job und der deutschen Arbeitswelt anzukommen.  In Rollenspielen haben Mentorin und Mentee geübt: „Wie kann ich Dinge am Arbeitsplatz ansprechen, die ich klären möchte?“

Denn oft wird den Frauen erst, wenn sie ein Arbeitsverhältnis eingehen, im Detail klar, was alles in Deutschland ganz anders ist. Deshalb bietet das Mentorinnen-Programm, neben viel Expertinnenwissen, auch emotionale Unterstützung.

Wie eine Mentorin begleitet

Die Begleitung ist sehr, sehr wichtig, bis eine Mentee stabil im Berufsleben angekommen ist

Ursula Lemmertz von der Kontaktstelle Frau und Beruf Freiburg – Südlicher Oberrhein

„Die Rolle der Mentorin liegt zwischen Freundin und Coach. Es ist eine große Herausforderung, herauszufinden, was die Mentee braucht und sie dann dabei zu begleiten. Als Mentorin muss ich sehen, welche enorme Leistung die Mentees schon erbracht haben: Sie sind alleine oder mit Mann und gegebenenfalls Kindern in ein neues Land gekommen, wo ihnen Sprache und Kultur fremd waren. Sie hatten in ihrem Ursprungsland schon eine berufliche Karriere und ein soziales Netzwerk und mussten alles aufgeben. Ihnen das zu spiegeln und Mut zu machen, ist die Aufgabe der Mentorin. Oft wird dabei deutlich, dass die Mentee das hohe, berufliche Niveau, das sie in ihrem Heimatland hatte, hier nicht mehr erreichen kann. Im Gegenteil muss sie häufig bei null anfangen, nochmal studieren oder eine Ausbildung machen. Für die Tandems ist das nicht leicht, denn mit dieser Enttäuschung muss die Mentee erst zurechtkommen“, unterstreicht Ursula Lemmertz.

 

Wie das Mentoring erfolgreich wird

Die Kommunikation zwischen Mentorin und Mentee ist der entscheidende Punkt, verdeutlicht die erfahrene Projektleiterin. Wenn der Kontakt gut ist und ein Vertrauensverhältnis entsteht, wird auch das Mentoring erfolgreich sein. Deshalb lernen die Beraterinnen der Kontaktstelle alle Mentees in Gesprächen kennen, bevor sie die Tandems zusammenfügen. Die Mentorinnen bewerben sich. Nach einem Infotermin mit ihnen werden die Tandems gematcht. Hierbei ist es der Kontaktstelle sehr wichtig, dass Mentorin und Mentee nach dem ersten Treffen eine ehrliche Rückmeldung geben, ob sie sich eine Zusammenarbeit wirklich vorstellen können. Ist das nicht der Fall, bekommt die Mentee eine andere Mentorin an die Seite gestellt.

Zwischen Dorothée Seume und ihrer Mentee Diana Miznazi hat die Chemie von Anfang an gestimmt.

Die Kontaktstelle macht sich superviele Gedanken zum Matching der Tandems. Die Beraterinnen dort führten Gespräche mit uns und so passte es einfach großartig

Dorothée Seume

„Zuerst haben meine Mentee und ich uns geschrieben und uns das erste Mal mit unseren Kindern (beide sind 5 Jahre alt) auf dem Spielplatz getroffen, um uns kennenzulernen.“

Realistische Ziele stecken

Als Nächstes definierte das Tandem die beruflichen Ziele von Mentee Diana Miznazi.  „Ein wichtiger Punkt: Wir von der Kontaktstelle unterstützen auch dahingehend, dass sich Mentorin und Mentee realistische Ziele stecken und in kleinen Schritten darauf zugehen“, betont Projektleiterin Ursula Lemmertz.

Diana Miznazi war im August 2020 nach Deutschland gekommen. Vorher lebte und arbeitete sie einige Jahre in Istanbul und Katar. In ihrem Heimatland Syrien hatte die 35-Jährige als Architektin gearbeitet, später ein Studium zum Denkmalschutz absolviert. Als sie eine Stellenausschreibung für eine wissenschaftliche Mitarbeit für Archäologie an der Universität Freiburg sah, fühlte sie sich sofort angesprochen. Dort schreibt die Mentee zurzeit ihre Doktorarbeit.  Sie würde sehr gerne im Wissenschaftsbetrieb bleiben oder im Denkmalschutz arbeiten. 

Im Gegensatz zu vielen anderen Mentees hatte Diana Miznazi kein Problem damit, ihre Abschlüsse anerkannt zu bekommen. Diese Verfahren durchlief sie gemeinsam mit der Universität. „Weil meine Stelle dort befristet ist, habe ich mir mit Dorothée Jobportale, Newsletter, mein LinkedIn Profil u.a.m. angeschaut und überlegt, wie ich es angehe, einen Job in der freien Marktwirtschaft zu finden“, erzählt sie.

Im Mai veranstaltete die Kontaktstelle das erste Präsenztreffen mit allen Tandems. Dort stellte jedes Tandem sein Ziel vor und visualisierte den Weg dorthin. Die Mentees präsentierten ihre Ergebnisse im Plenum, sodass sich alle gegenseitig Tipps geben und die Erfahrung machen konnten, dass sie mit ihren Unsicherheiten und Fragen nicht allein sind.

Alltägliche Herausforderungen meistern

Diana Miznazis zweites Ziel im Mentoring war, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, denn mit den Kolleginnen und Kollegen an der Hochschule spricht sie Englisch.  Ihre Mentorin Dorothée Seume ist Diplombetriebswirtin und arbeitet als Projektmanagerin in einer Bank. Mit ihr tauschte sich Diana Miznazi auch viel über alltägliche Herausforderungen aus.

Wie funktionieren unsere Institutionen und Behörden? Wie gehe ich mit ihnen um? All diese Dinge habe ich mit Dorothée zusammen vorbereitet, das war so hilfreich!

Diana Miznazi

„Ich kenne sonst nur Menschen, die sich dafür einen Anwalt oder eine Anwältin suchen mussten.“

Auch die Kontaktstelle unterstützt ihre Tandems während der gesamten Mentoringzeit – mit Workshops, Infoveranstaltungen und anderen Angeboten. Projektleiterin Ursula Lemmertz: „Für die Tandems ist es wichtig, erreichbare und realistische Ziele zu setzen. Und eine Mentorin muss nicht jedes Expertinnenwissen mitbringen! Sie muss zum Beispiel nicht wissen, wie man die perfekte Bewerbung schreibt, da unterstützen wir sie.“

Der Austausch tut allen gut

Mentorin Dorothée Seume gefielen auch die Austauschabende der Kontaktstelle gut. „Ich arbeite 100 % im Home-Office und so habe ich den Austausch mit vielen tollen Frauen genossen. Die Kontaktstelle macht das mit so viel Hingabe, Freude und persönlichem Engagement – das ist großartig!“, bilanziert die 40-Jährige. „Das Mentorinnen-Programm für Migrantinnen ist ein super Rahmen, eine strukturierte Vorgabe, aber kein enges, kein beengendes Korsett. Es geht dabei nicht nur um Karriereunterstützung und der Austausch tut einfach allen gut!“

 

Projektleiterin Ursula Lemmertz freut sich über so viel positives Feedback.

Das Mentorinnen-Programm für Migrantinnen ist eine super Ergänzung unserer Kontaktstellen Arbeit!

Projektleiterin Ursula Lemmertz

Die Rolle der Unternehmen

„Aber eine Herausforderung bleibt", so Ursula Lemmertz und ergänzt: „Es wäre sehr unterstützend, wenn Unternehmen mehr Praktika ermöglichen oder einer neuen Mitarbeiterin eine erfahrene Mitarbeiterin als Patin zur Seite stellen würden. Durch den Fachkräftemangel eröffnen sich Chancen für die Mentees. Aber wenn nicht alles 100 % reibungsfrei funktioniert, erleben wir auch, dass Mentees ihre Anstellung wieder verlieren. Viele Probleme könnten gelöst werden, wenn Unternehmen für die Einarbeitung ausländischer Fachkräfte sensibilisiert wären. So bedeuten gute Deutschkenntnisse nicht automatisch, dass diese auch im Arbeitsumfeld sofort ausreichend vorhanden sind. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen verstehen, womit sie rechnen sollten, wenn sie eine Frau mit Migrationshintergrund einstellen!"

 

Hintergründe zum Mentorinnen-Programm für Migrantinnen und wie Sie mitmachen können, finden Sie hier.


Kontaktstelle Frau und Beruf Freiburg – Südlicher Oberrhein, März 2023

Collage aus zwei Bildern zur Erfolgsgeschichte. Links Mentorin Dorothée Seume mit ihrer Mentee Diana Miznazi und rechts Ursula Lemmertz von der Kontaktstelle Frau und Beruf Freiburg

Mentorin Dorothée Seume (links), Mentee Diana Miznazi (Mitte) und Ursula Lemmertz (rechts)

zurück zu allen Erfolgsgeschichten